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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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oder?
    Harris wollte gerade gehen und zu einer anderen Zeit wiederkommen – am liebsten vor Sonnenuntergang –, hörte dann aber Schritte näherkommen. Sekunden später wurde von drinnen die Tür aufgezogen. Nicht weit.
    »Ja?«
    Harris spähte in den Spalt. Er hatte sich selbst so aufgeputscht, dass er auf alles gefasst war: vom Geist des Erhängten bis zum Doppellauf einer abgesägten Schrotflinte, die ihm ein verstimmter Hausbesitzer, den er unnötigerweise aus dem Bett geholt hatte, unter die Nase hielt.
    Gott sei Dank fiel die Begrüßung ganz anders aus. Der Mann wirkte einigermaßen freundlich. Obwohl ihn Harris nicht gut erkennen konnte, und seine Gesichtszüge im Schatten verschwammen, klang seine Stimme ziemlich angenehm. Wenigstens hatte er ihn nicht wütend beschimpft. Noch nicht.
    »Guten Abend, Sir. Ich bin Hilfssheriff Dwight Harris. Vom Sheriffbüro drüben in Savannah.«
    Der Mann beugte sich leicht vor und schaute an ihm vorbei zum Golfcart hinüber, der unten am Weg parkte. Um Touristen und unwillkommene Besucher von der Insel fernzuhalten, gab es keine Fähre zwischen dem Festland und St. Anne. Alle Besucher kamen entweder mit dem eigenen oder mit einem Leihboot hierher. Nach der Ankunft bewegten sie sich zu Fuß oder auf einem gemieteten Golfcart über die ungefähr 36 Quadratkilometer große Insel. Nur wer hier seinen Hauptwohnsitz hatte, fuhr mit dem Auto über die schmalen Straßen, von denen man viele absichtlich ungepflastert gelassen hatte.
    Leider wirkte der Golfcart nicht so offiziell wie ein Streifenwagen und verringerte dadurch optisch ein wenig seine Amtsautorität. Zur Stärkung seines Selbstvertrauens zog Harris seinen verrutschten Pistolengürtel hoch.
    Der Mann hinter der Tür fragte: »Deputy Harris, wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Erstens entschuldige ich mich für die Störung. Aber ich bekam heute am frühen Abend einen Anruf. Von einem Mädel oben aus New York.« Wortlos wartete der Mann ab. »Meinte, sie versucht jemanden aufzuspüren, der die Initialen P.M.E. verwendet.«
    »Tatsächlich?«
    »So hat sie’s gesagt. Ich hab mir nicht anmerken lassen, ob mir der Name bekannt vorkommt.«
    »Ist er’s denn?«
    »Gemeldet, meinen Sie? Nein, Sir. Könnte ich so nicht sagen.«
    »Trotzdem sind Sie hier.«
    »Geb’s ja zu, sie hat mich neugierig gemacht. Wissen Sie, hab noch nie einen gekannt, der nur seine Initialen benutzt. Machen Sie sich trotzdem keine Gedanken. Hier in der Gegend wird die Privatsphäre respektiert.«
    »Eine lobenswerte Sitte.«
    »Auf St. Anne ist’s schon Tradition, dass sich Leute aus dem einen oder anderen Grund hier verstecken.«
    Kaum hatte Harris diesen Satz ausgesprochen, bedauerte er ihn auch schon zutiefst. Irgendwie hatte es anklagend geklungen. Es folgte langes Schweigen. Bevor er wieder zu sprechen begann, räusperte er sich nervös. »Na, egal, jedenfalls dachte ich, ich sollte dieser Dame einen Gefallen tun. Bin mit der Revierbarkasse rübergekommen. Hab mich am Landungssteg erkundigt und wurde hierher geschickt.«
    »Was wollte denn besagte Dame aus New York?«
    »Nun, Sir, weiß nicht so recht. Sie sagte, es geht um nichts Gesetzliches oder so was. Nur dass sie geschäftlich mit P.M.E. zu tun hätte. Ich dachte, Sie hätten den Haupttreffer in einer Lotterie gewonnen und würden vielleicht von Ed McMahon oder Dick Clark gesucht.«
    »Ich habe nie an einer Lotterie teilgenommen.«
    »Schön, schön. Na dann…«
    Harris schob seinen Hut nach vorne, um sich am Hinterkopf kratzen zu können. Zum Teufel noch mal, warum hatte ihn der Mann nicht hereingebeten oder wenigstens Licht angemacht? Da ihn das Herumreden um den heißen Brei, weiß Gott, nicht weiter gebracht hatte, fragte er rundheraus: »Sind Sie P.M.E., oder was?«
    »Hat sie ihren Namen hinterlassen?«
    »Häh? Ach, die Dame? Jaa.« Harris fischte einen Notizzettel aus der Brusttasche seines Uniformhemdes. Als er entdeckte, dass er ihn durchgeschwitzt hatte, wurde er verlegen, aber der Mann nahm den Zettel und las Harris’ Notizen. Offensichtlich fiel es ihm nicht auf, wie feucht er war, oder es war ihm egal.
    »Das sind ihre Telefonnummern«, erklärte Harris, »die ganze Reihe. Schätze mal, ihr Geschäft muss ganz schön wichtig sein. Deshalb bin ich auch heute Abend rausgekommen.«
    »Vielen Dank für Ihre Bemühungen, Sheriff Harris.«
    »Hilfssheriff.«
    »Deputy Harris.«
    Dann machte ihm der Mann die Türe vor der Nase zu, ehe Harris auch nur mit der Wimper zucken

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