Envy-[Neid]
vierundzwanzig Stunden gewesen war.
Mit dem Gefühl, Eile sei geboten, war sie nach New York zurückgefahren, wobei ihr ständig Noahs Worte im Kopf herumgingen: Sein Tod kam sehr gelegen. Während sie die Landstraße entlangraste und dabei zwischen Chief Randalls Polizeirevier und den Büros von Matherly Press mitten in Manhattan jede Geschwindigkeitsbegrenzung überschritt, hatte sie sich übers Handy ein Flugticket nach Nashville reserviert.
Eigentlich hatte sie nur für eine kurze Absprache mit ihrer Assistentin und zum Durchsehen der Post im Büro sein wollen. Danach wollte sie wieder zu Daniels Haus zurück, packen und noch rechtzeitig für den Nachtflug zum Flughafen hetzen.
Leider verlief nicht alles nach Plan.
Ihr Erscheinen im Büro hatte ihre Assistentin elektrisiert.
»Gott sei Dank, dass Sie da sind. Ich habe schon versucht, Sie auf Ihrem Handy zu erreichen.«
»Mein Akku ist seit ungefähr einer Stunde leer.«
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle.« Die Sekretärin wählte eine Telefonnummer. »Sagen Sie Mr. Stern, sie sei gerade gekommen.« Sie drückte den Halteknopf. »Er hat mir erklärt, er müsse Sie heute unbedingt sprechen, Maris.«
»In welcher Angelegenheit? Hat er das gesagt?«
»Nein, aber er ruft seit heute Morgen an. Er nahm an, Sie kämen ins Büro.«
»Ich hatte etwas außerhalb der Stadt zu erledigen.« Sie hatte keine Zeit für ein längeres Gespräch mit dem Anwalt und betonte dies auch.
Ihre Assistentin entschuldigte sich. »Er hat mich beschworen, ihn zu verständigen, sobald ich mit Ihnen spreche. Er ist auf Leitung zwei.«
Maris ging in ihr Büro und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Zum Glück, denn die Neuigkeiten, die Stern mitteilte, hätten sie umgehauen.
»Mr. Matherly hatte beabsichtigt, seine Entscheidung nach Ihrer Rückkehr aus Georgia zu verkünden. Meiner Ansicht nach wollte er das in einem feierlichen Rahmen tun. Unglücklicherweise bot sich ihm dazu keine Gelegenheit mehr. Trotzdem hat er, wie sich herausstellt, für die endgültige Durchführung ein außerordentliches Timing bewiesen.« Er hielt inne und sagte dann: »Ich hoffe, das freut Sie.«
Zu wissen, dass ihr Vater so viel Vertrauen in sie gesetzt hatte, berührte sie tief. »Sehr!«
Anschließend war Stern die Details mit ihr durchgegangen. Für sie aber hatte nur eines gezählt: Ihr Vater hatte ihr das Geschäft anvertraut, sein Lebenswerk. Diese Verantwortung würde sie nicht leicht übernehmen , aber sehr, sehr stolz.
Stern hatte vorsichtig gehüstelt und dann gemeint: »Es liegt in Ihrem Ermessen, ob Sie Mr. Reed weiter beschäftigen oder nicht. Mr. Matherly gab mir zu verstehen, dass es Ihnen in Anbetracht Ihrer bevorstehenden Scheidung unangenehm sein könnte, ihn im Hause zu haben, selbst in einer untergeordneten Position.«
Also hatte er es gewusst. Natürlich hatte er das. Sein Timing war gar nicht so außerordentlich gewesen, wie Mr. Stern glaubte. Wahrscheinlich hatte Daniel diesen Schritt schon einige Zeit geplant gehabt, im Wissen, dass es nach der Auflösung ihrer Ehe zu einem hässlichen Machtkampf käme. Daniel hatte ihn verhindert.
»Offen gesagt hat Ihr Vater Mr. Reed nicht mehr zugetraut, im besten Interesse des Verlages zu handeln«, hatte ihr der Anwalt erklärt. »Aber, wie schon erwähnt, sein weiteres Verweilen in der Firma liegt ganz bei Ihnen.«
Das Gespräch hatte sich noch einige Minuten hingezogen, dann hatte es Maris mit dem Satz beendet:
»Vielen Dank, Mr. Stern. Ich danke Ihnen herzlich.«
»Dazu besteht kein Anlass. Hoffentlich wünschen Sie, dass ich meine gegenwärtige Befugnis auch in Zukunft ausübe.«
»Das versteht sich doch von selbst.«
»Ich fühle mich geehrt.« Nach einer Pause fragte er:
»Sagen Sie, Ms. Matherly, wie fühlt man sich als eine der mächtigsten Frauen New Yorks?«
Sie lachte. »Momentan? Sehr in Eile, wenn ich noch meinen Flug erreichen will.«
Im Anschluss an diese Unterhaltung delegierte sie noch rasch einige Verpflichtungen an ihre Assistentin. Sie entschied sich dafür, ihren Wagen in der Parkgarage beim Bürogebäude stehen zu lassen, und mit dem Taxi zu Daniels Haus zu fahren.
Wo sie der nächste Schock erwartete.
Als sie die Stufen des Ziegelhauses hinaufeilte, hielt eine Limousine in der Parkbucht. Noch ehe der Chauffeur Zeit hatte, herumzugehen und die Tür aufzuhalten, stieg Nadia Schuller aus.
»Hallo, Maris.«
Sie trug ein schwarzes Kleid und ein Hütchen, das an jeder anderen Frau lächerlich
Weitere Kostenlose Bücher