Envy-[Neid]
denken zu können. »Tjaa, dieser Artikel enthielt geballte Informationen über Sie, Ihren Vater und Ihren Ehemann. Wie ist er denn so?«
»Sehr robust, besonders für einen Achtundsiebzigjährigen.«
»Ich meinte Ihren Mann. Ist der auch sehr robust?«
»Wir hatten vereinbart, keine persönlichen Fragen zu stellen.«
»Das ist persönlich? Was von Ihrem Mann möchten Sie mir genau verschweigen?«
»Nichts. Damit hat es nichts zu tun.«
»Womit dann?«
»Ich bin Ihnen gefolgt, um über Neid zu sprechen.«
»Möchten Sie sich setzen?«
Sein plötzlicher Themenwechsel verwirrte sie offensichtlich. Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Platz zum Hinsetzen.« Verstohlen schaute sie zu den Deckenbalken hoch. »Außerdem ist es hier drunter gruselig.«
Er deutete mit einer einladenden Bewegung auf den vorderen Gebäudeteil, worauf sie vor ihm unter dem Überhang hervortrat. Ein Kreis aus zwei Reihen Ziegelsteinen im fest gestampften Boden weckte ihre Aufmerksamkeit. Er hatte annähernd anderthalb Meter Durchmesser. »Was ist das?«
»Vorsicht«, warnte Parker, während er rasch seinen Stuhl neben sie rollte. »Das ist ein verlassener Brunnen.«
»Warum hier drinnen?«
»Einer der weitsichtigeren Patriarchen der Baumwoll- Dynastie hatte vor, die Mühle auf Dampfkraft umzustellen, und dazu diesen Brunnen als Wasserreservoir gegraben. Leider starb er vor Vollendung des Projekts an Diphterie. Sein Erbe verwarf die Idee als unpraktisch. Meiner Ansicht nach zu Recht. Im Verhältnis zur Produktion wäre es unwirtschaftlich gewesen.«
Sie lugte über den Ziegelrand ins dunkle Loch. »Wie tief ist er denn?«
»Tief genug.«
»Wofür?«
Nachdem er einen Moment ihrem Blick standgehalten hatte, setzte er zurück, rollte an ihr vorbei und deutete mit dem Kinn auf eine umgedrehte Kiste. »Falls Sie nicht allzu wählerisch sind, müsste das als Sitzgelegenheit genügen.«
Nachdem sie die Festigkeit der Kiste getestet hatte, setzte sie sich vorsichtig auf das raue Holz.
»Passen Sie auf Splitter auf«, warnte er, »obwohl es eine bezaubernde Vorstellung wäre, sie aus Ihren Oberschenkeln zu ziehen.«
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Ich werde aufpassen und still sitzen.«
»Obwohl ich überzeugt bin, dass mir das Entfernen der Holzsplitter ein Vergnügen wäre, bin ich gleichermaßen überzeugt, dass Ihr äußerst robuster Mann nicht damit einverstanden wäre.«
»Hat es eben gedonnert?«
»Themenwechsel, Maris?«
»Ja.«
Grinsend warf er einen Blick über die Schulter zur offenen Tür. Draußen wie drinnen war es auffallend dunkel geworden. »Im Sommer kochen nachmittags häufig Gewitter hoch. Manchmal sind sie in einer Stunde wieder vorbei oder sogar noch schneller, manchmal dauern sie die ganze Nacht lang. Kann man nie wissen.«
Über ihnen klatschten die ersten Regentropfen aufs Dach. Sie atmete tief ein. »Man kann den Regen riechen.«
»Riecht gut, nicht wahr?«
»Klingt auch wunderbar.«
»Mhm.«
Der Regen kühlte zwar die Luft kaum ab, beeinflusste aber eindeutig die Atmosphäre. Sie verdichtete sich, wurde intensiver. Er war sich dessen bewusst. Und Maris auch. Obwohl sie diese plötzliche Veränderung vermutlich nicht besser beschreiben konnte als er, empfand sie sie heftig.
Ihre Augen ließen von der Betrachtung des Regens hinter der offenen Türe ab und fanden seine. Sie starrten einander durch das stärker werdende Zwielicht an. Seltsamerweise lag in diesem Blicketausch nichts Ungemütliches. Wenn man ihn gezwungen hätte, diese Art des Sich-Anschauens mit einem passenden Adverb zu beschreiben, hätte er sich für »erwartungsvoll« entschieden, ein Bestimmungswort, das Neugier mit Vorsicht verband und Verwunderung mit argwöhnischen Untertönen.
Er empfand ihre unverwandten Blicke wie ein Ziehen in der Brust, das ihn anzog, und schaute sie mit derselben Intensität an. Angesichts der elektrisierenden Spannung zwischen ihnen war er neugierig auf ihre nächste Bemerkung.
Mit einer weiteren Anmerkung zu Neid ging sie auf Nummer Sicher. »Mit diesem fiesen Trick hat Todd Roark aber übel mitgespielt.«
»Durch diese Manipulation hat er seinen Termin mit Hadley verpasst.«
»Das kam aus heiterem Himmel. Ich hatte nichts geahnt.«
»Das ist gut.«
»Und wie wird nun Roark darauf reagieren?«
»Wie sollte er denn Ihrer Ansicht nach?«
»Indem er Todd windelweich prügelt.«
Ihre heftige Antwort entlockte ihm einen Pfiff.
»Nun, ist das nicht eine typisch männliche
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