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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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»Der sandige Inselboden war ideal zum Anbau. Draußen wurde sie auf einer Plattform entladen und nach oben getragen, wo die Maschine die Faser vom Samen trennte. Anschließend blies man den Lint hinaus, sammelte ihn und brachte ihn zu einer Spindelpresse im Freien, die ebenfalls von Mulis angetrieben wurde. Nachdem man sie zu Ballen gepresst hatte, wurde sie in Sackleinen verpackt und quer über die Insel zum Landungssteg verfrachtet, von wo aus man sie zu den Baumwollbörsen auf dem Festland transportierte.«
    »Das klingt sehr arbeitsintensiv.«
    »Da haben Sie Recht. Von der Auspflanzung des Baumwollsamens im zeitigen Frühjahr bis zur Verschiffung des letzten Ballens einer Ernte verging ein Jahr.«
    »War das die einzige Entkörnungsmaschine auf der Insel?«
    »Wieder getroffen. Ein Pflanzer, eine Mühle, eine Familie. Jene Familie, die mein Haus gebaut hat. Sie hatten ein Monopol, das sie bis zum Zusammenbruch des Gesamtmarktes reich gemacht hat. Dann haben sie versucht, auf Austernkonserven umzustellen, was bereits auf anderen Inseln gemacht wurde. Weil sie aber davon nichts verstanden, waren sie binnen eines Jahres restlos bankrott und zogen Leine.«
    »Dann ist dieses Gebäude also mehr oder weniger eine Chronik der Insel-Historie.«
    »Ganz sicher für das neunzehnte Jahrhundert«, sagte er.
    »Durch Dokumente ist belegt, dass 1878 ein kleines Mädchen, die Tochter eines Arbeiters, hinter eines der Mulis draußen an der Spindelpresse trat. Das missgelaunte Tier versetzte ihr einen Tritt gegen den Kopf. Zwei Tage später starb sie. Ihr Vater hat das Muli buchstäblich exekutiert. Was er mit dem Kadaver angestellt hat, wird in grausigen Details berichtet. Auch ein Duell zwischen verfeindeten Brüdern, die sich 1855 gegenseitig erschossen haben, ist aufgezeichnet. Dann gibt’s da noch die romantische Mär von einer Liebesgeschichte zwischen einem weißen Aufseher und einer schönen Sklavin. Es heißt, ihre Beziehung habe so viel gehässiges Missfallen erregt, dass man sie in einem kleinen Boot von der Insel gejagt hat. Angeblich waren sie nach Charleston unterwegs, aber die Leute, die ihre Abfahrt durch Ferngläser beobachtet haben, behaupteten, sie hätten sie kentern und ertrinken gesehen, was viele für eine passende Strafe hielten.
    Jedenfalls hat man Jahre danach eine Mulattenkolonie entdeckt, die friedlich auf einer anderen Insel lebte, die man für unbewohnt gehalten hatte. Angeblich sind diese Leute die Nachfahren jenes Paares und von Überlebenden eines gestrandeten Sklavenschiffs. Sie waren ein unglaublich hübscher Clan.
    Einige hatten eine Haut wie Milchkaffee und dazu jadegrüne Augen.
    Ein französischer Adeliger, der in dieser Gegend der Hochseefischerei nachging, hat auf ihrer Insel Schutz vor einem Sturm gesucht. Dabei stach ihm eine der heiratsfähigen jungen Damen ins Auge und eroberte sein Herz. Nach ihrer Heirat hat er ihre gesamte Familie mit nach Frankreich genommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.«
    Maris atmete langsam tief ein. »Parker, Sie sind ein guter Geschichtenerzähler.«
    »Das ist eine Legende. Und wahrscheinlich nicht wahr.«
    »Trotzdem ist es eine gute Geschichte.«
    »Dann sind Sie also eine Romantikerin?«
    »Eine schamlose.« Dann sagte sie lächelnd: »Sie wissen eine Menge über die Mühle. War Ihre Familie im Baumwollgeschäft?«
    »Vermutlich hat mein Urgroßvater sie während der Depression mit der Hand gepflückt. Aber das tat damals im Süden jeder gesunde kräftige Mensch. Frauen, Kinder, Schwarze, Weiße – alle haben ums Überleben gekämpft. Hunger kennt keinen Unterschied.«
    »Was war Ihr Vater von Beruf?«
    »Arzt. Hausarzt. Die ganze Skala, von der Entbindung bis zum Aufstechen von Furunkeln.«
    »Ist er im Ruhestand?«
    Er schüttelte den Kopf. »Konnte mit vierzig weder sein größtes Laster ablegen noch sich selbst heilen, als er Lungenkrebs bekam. Er ist viel zu früh gestorben.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Hat ihn um zwölf Jahre überlebt. Sie starb vor einigen Jahren. Und bevor Sie fragen: Ich bin ein Einzelkind.«
    »Ich auch.«
    »Ich weiß.«
    Einen Augenblick musste sie erst überrascht verdauen, dass er das wusste, dann sagte sie: »Ach, der Artikel.«
    »Tjaa.«
    Aus ihrem Pferdeschwanz hatten sich mehrere Haarsträhnen gelöst und lagen in ihrem Nacken. Die Luftfeuchtigkeit hatte die weizenblonden Strähnen gekräuselt. Er ertappte sich dabei, wie er darauf starrte.
    Er wandte den Blick ab, um wieder klar

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