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Envy-[Neid]

Envy-[Neid]

Titel: Envy-[Neid] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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zeichneten sich lediglich ihre Umrisse vor dem hinter ihr liegenden Lichteck ab. Sie ging noch weiter hinein, allerdings nur wenige Schritte.
    »Woher haben Sie diese Kleidung?«
    Verstohlen musterte sie ihren Freizeitrock samt Bluse und Sandalen, als hätte sie die Sachen noch nie vorher gesehen. Dieses Outfit nahm sie normalerweise im Sommer übers Wochenende für Grillpartys und Touren durch Trödelmärkte in ihr Landhaus mit. Obwohl sie es erst vor zwei Tagen höchstpersönlich in New York eingepackt hatte, erschien ihr das jetzt zeitlich und räumlich viel weiter entfernt.
    »Mike hat meinen Koffer aus dem Hotel holen und herüberbringen lassen. Er hat ihn bei dem Boot am Landesteg abgeholt.«
    »Jetzt bekommt er Schrullen.«
    »Verzeihung?«
    »Er ist in Sie verschossen.«
    »Er ist lediglich nett.«
    »Dieses Gespräch hatten wir schon mal.«
    Hatten sie. Sie wollte es nicht wiederholen. Beim letzten Mal hatte es mit… Sie wollte nicht daran denken, wie es geendet hatte.
    Schweigen breitete sich aus. Obwohl sich ihre Augen ans Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte sie ihn in den tiefen Schatten der Ecke, aus der er sich nicht fortbewegte, immer noch kaum ausmachen. Um die angespannte Stille zu füllen, sagte sie: »Das ist ein pittoreskes Gebäude.«
    »Und Sie sind ganz zufällig darauf gestoßen?«
    »Mike hat mir den Weg beschrieben.«
    »Mike redet zu viel.«
    »So viel auch nicht. Er verrät keines Ihrer Geheimnisse.«
    »Bis vor wenigen Minuten war dieses Gebäude mein Geheimnis. Hier komme ich her, um allein zu sein.«
    Sie ignorierte den Hinweis darauf, dass er auf ihre Gesellschaft keinen Wert legte, und schaute sich um. Tierkot und Müll übersäten den gestampften Erdboden. Einmal hatte jemand ein Feuer angezündet, von dem noch immer Asche und verkohlte Holzstückchen herumlagen. An der einen Wand war eine Treppe zum Oberstock, der allerdings viele Stufen fehlten. Und die restlichen schienen nichts tragen zu können, was schwerer wog als ein Käfer. Alles in allem strahlte dieser alte Ort etwas Unheimliches aus, besonders der hintere Teil mit dem niedrigen Überhang und der altmodischen Maschine, die auf sie den Eindruck eines Folterinstrumentes machte, mit dem ein böser Riese einen anderen quälte. Ihr leuchtete nicht ein, weshalb Parker freiwillig seine Zeit hier verbrachte.
    »Welche Geschichte hat das Gebäude?«
    »Wissen Sie irgendetwas über Baumwolle?«
    Vorwitzig zitierte sie eine populäre Fernsehwerbung.
    »Sie ist der Stoff unseres Lebens.«
    Zu ihrer Überraschung lachte Parker. Ein echtes Lachen, und nicht dieses verächtliche Schnauben, das er normalerweise dafür ausgab. Sie nutzte dieses seltene Ereignis aus und fügte hinzu: »Außerdem ist sie beim Entfernen von Nagellack nützlich.«
    Sein Lachen verebbte und machte das anschließende Schweigen noch spürbarer. Dann meinte er barsch:
    »Kommen Sie her.«

Kapitel 13
    Sie zögerte. Parker wartete ab, ohne seine Aufforderung zu wiederholen. Vermutlich würde sie seine unausgesprochene Herausforderung annehmen. Ein, zwei Sekunden dachte sie nach, dann suchte sie sich vorsichtig einen Weg. Die Distanz zwischen ihnen schwand.
    Sie hatte die Haare zu einem provisorischen Pferdeschwanz zusammengebunden, der sie mindestens fünf Jahre jünger machte. Ihre weiße Bluse war in der Taille zusammengeknotet. Unter dem kurzen khakifarbenen Rock zeigte sie mehrere Zentimeter Oberschenkel. Glatte wohlgeformte Oberschenkel, die zu lüsternen Spekulationen förmlich einluden.
    »Beim ursprünglichen Bau dieser Mühle«, sagte er, »hat man drei Seiten offen gelassen. Die Maschine wurde von Tieren angetrieben. Kommen Sie mit.«
    Er rollte auf den hinteren Gebäudeteil zu. Als sie ihm unter den Überhang folgte, zog sie automatisch den Kopf ein. Er musste lächeln. Nur um Millimeter hatte sie die niedrige, mit Spinnweben behangene Decke verpasst.
    »Das Problem hatte ich noch nie«, sagte er. Dann deutete er auf den schwachen Kreis in der fest gestampften Erde.
    »Bei genauerem Hinsehen können Sie im Staub eine kreisförmige Vertiefung entdecken. Diesen Weg haben die Maultiere ausgetreten, die das Schwungrad für die Entkörnungsmaschine angetrieben haben.«
    »Da oben?«
    »Richtig. Zur Blütezeit der Baumwolle hat man sie wagenladungsweise hierher gebracht. Langfasrige Sea- Island-Baumwolle. Hochwertige seidenweiche Ware, die sich wesentlich leichter von den Samen trennen ließ als andere Sorten.«
    »Und deshalb sehr begehrt.«
    Er nickte.

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