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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gesetzt.«
    Skar betrachtete die Heilerin genauer. Ein dumpfes Gefühl, sich falsch und dumm benommen zu haben, ergriff von ihm Besitz. Die Herren Wents mochten über ihr Schicksal entscheiden, wie sie wollten — für diese Frau waren Del und er nichts als zwei Menschen, die krank waren und Hilfe benötigten. Er senkte verlegen den Blick und fingerte unschlüssig an der leeren Schwertscheide herum. Lag es an seiner Erschöpfung, an all dem Neuen und Überraschenden, das auf ihn eingestürmt war, oder einfach an Thoranda, an der fast greifbaren Selbstsicherheit und Güte, die diese alte Frau ausstrahlte, daß mehr und mehr in ihm das Gefühl wuchs, den Boden unter den Füßen zu verlieren?
    Thoranda berührte ihn sanft an der Schulter, schob seinen Arm beiseite und besah sich stirnrunzelnd den Riß über seinen Rippen. »Leg den Harnisch ab«, sagte sie bestimmt. Etwas war in ihrer Stimme, das keinen Widerspruch duldete. Skar löste die ledernen Halteriemen um Nacken und Hüfte, beugte sich leicht nach vorne und bewegte die Schultern, um den schweren Lederpanzer abzustreifen. Thoranda besah sich den Schnitt mit unbewegtem Gesicht, tastete mit geschickten Fingern über die Wundränder und verschwand dann mit schnellen Schritten im Hintergrund des Raumes, um gleich darauf mit einer hölzernen Schale voll Wasser und einem sauberen Tuchstreifen über dem Arm zurückzukehren.
    »Setz dich dorthin«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu einer hölzernen Bank neben dem Eingang. Skar gehorchte, und Thoranda machte sich routiniert an seiner Wunde zu schaffen. Skar zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz wie ein winziges Messer unter seine Rippen und bis in die Schulter hinauffuhr.
    Thoranda wusch die Wunde sorgfältig aus und legte einen straffen, mit einer kühlenden Salbe beschmierten Verband um seine Brust. Ihre Hände waren erstaunlich kräftig, aber sie fügten ihm nur soviel Schmerz zu, wie unumgänglich war. Skar wollte aufstehen, aber die Heilerin schob ihn mit sanfter Gewalt auf den Sitz zurück und schüttelte den Kopf. »Bleib«, sagte sie ruhig. »Ich gehe rasch ein paar Kräuter holen. Danach kannst du ruhen, wenn du möchtest.«
    Skar nickte. Thoranda hockte dicht vor ihm, und obwohl er in der dämmerigen Beleuchtung des Raumes ihr Gesicht nicht deutlich zu erkennen vermochte, war er plötzlich sicher, daß sie früher einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein mußte. Ihr Haar war, obwohl grau und von ersten weißen Strähnen durchzogen, noch immer dicht und lang und verströmte einen angenehmen, harzigen Geruch, und ihre Bewegungen waren trotz ihres Alters noch flüssig und elegant. Sie stand auf, wusch sich flüchtig die Hände und verließ dann rasch den Raum.
    Skar setzte sich ebenfalls auf, lehnte sich gegen die Wand und betrachtete das halbe Dutzend Gardistinnen aus zusammengekniffenen Augen. Die Mädchen unterhielten sich leise, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, und ab und zu warf eine von ihnen einen hastigen, verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Sie hatten ihre Rüstungen abgelegt und trugen nur noch dünne, sackähnliche Gewänder, und obwohl die meisten Verbände um Arme, Beine oder Köpfe trugen, erinnerte jetzt weder ihr Aussehen noch ihr Benehmen daran, daß diese Kinder noch vor wenigen Stunden in voller Rüstung durch den Wald gesprengt und einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten hatten.
    Larynn kam zu ihm hinüber, ließ sich neben ihm auf die Bank sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ihr Kleid raschelte, und als Skar genau hinsah, fiel ihm auf, daß der Stoff ganz gegen seinen ersten Eindruck fein und anschmiegsam wie Seide war. Das dünne Material spannte sich um ihre Schultern und ließ ihre kleinen, mädchenhaften Brüste deutlich hervortreten. Wie lange, dachte er, war es her, daß er das letzte Mal eine Frau gehabt hatte?
    Er ertappte sich plötzlich dabei, daß er sie anstarrte, und senkte verlegen den Blick. Larynn lächelte, aber sie besaß Takt genug, die Situation zu überspielen. »Du warst bei Logar?«
    Skar nickte. »Man merkt es wohl«, sagte er hastig.
    »Logar ist ein seltsamer Mann«, nickte Larynn. »Er macht sich einen Spaß daraus, Fremden einen Schrecken einzujagen. Ich glaube, er spielt gerne den Geheimnisvollen. Urteile nicht vorschnell über ihn. Er mag manchmal seltsam erscheinen, aber er ist gerecht.«
    »Er ist noch sehr jung, für einen Mann in seiner Position.«
    »So alt wie Del — schätze ich«, erwiderte Larynn. Sie nahm die Arme

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