Enwor 1 - Der wandernde Wald
zerstören, aber wenn er schwieg, konnten die Folgen schlimmer sein.
Er stürmte die Treppe hinunter, lief mit weit ausgreifenden Schritten durch das Haus und prallte fast mit Bernec zusammen, als er auf die Rampe hinaustrat. Er wollte mit einem schnellen Schritt ausweichen und weitergehen, doch Bernec packte ihn am Handgelenk und hielt ihn zurück.
»Nicht so eilig, Satai«, sagte er. »Ich habe mit dir zu reden.«
»Aber ich nicht mit dir«, schnappte Skar mit kaum verhohlener Wut. Er riß seine Hand los und wandte sich abermals um, aber Bernec hielt ihn wieder zurück. Diesmal war sein Griff so fest, daß es schmerzte.
»Wo willst du hin?« fragte er abfällig. »Zu Coar?«
»Und wenn?« gab Skar gereizt zurück. »Was geht dich das an?«
»Eine Menge«, sagte Bernec. »Jedenfalls mehr, als du glaubst, Skar. Ich war gerade bei ihr. Was hast du mit ihr gemacht?«
»Mit ihr gemacht?«
Bernec lächelte böse. »Verstell dich nicht, Skar. Ich habe es zugelassen, daß du dich in ihr Vertrauen geschlichen hast, und ich habe es zugelassen, daß —«
Skar schlug seine Hand mit einer blitzschnellen Bewegung zur Seite und funkelte ihn wütend an. »Ich wüßte nicht, was es dich anginge, was Coar tut oder nicht tut. Du hast nichts zuzulassen, Bernec. Vielleicht hat Coar dir früher einmal gehört, aber das ist vorbei. Ich habe ihr ein paar Dinge gesagt, die ihr nicht gefallen haben, aber das ist nicht dein Problem. Laß mich vorbei.«
Bernec schluckte mühsam. Seine Lippen bebten, und er schien mit aller Gewalt gegen den Wunsch anzukämpfen, sich auf Skar zu stürzen und mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen.
»Skar«, flüsterte er. »Ich warne dich. Ich weiß, daß du stärker bist als ich, und ich weiß, daß du mich besiegen und wahrscheinlich töten wirst, wenn ich mit dir kämpfe. Aber ich werde nicht zulassen, daß du Coar weh tust. Niemand darf das, verstehst du? Niemand! Du kannst mit ihr schlafen, so oft und so lange du willst, aber wenn du ihr weh tust, werde ich dich umbringen.«
Skar lächelte geringschätzig. »Wirst du das, Bernec?« fragte er.
Bernec nickte. Die Bewegung wirkte abgehackt und verkrampft. »Ja«, sagte er ernst, »das werde ich.«
Für einen Moment wurde die Spannung zwischen ihnen fast greifbar. Skar wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Er hatte plötzlich das Gefühl, Bernec bisher mit völlig falschen Augen betrachtet zu haben. Vielleicht war er gar nicht das zornige große Kind, als das er ihn bisher gesehen hatte.
»In Ordnung«, sagte er leiser. »Ich werde es mir merken. Und Bernec…«, fügte er hinzu, als Bernec sich umwenden und davongehen wollte, »es tut mir leid. Sag Coar, daß ich ihr nicht weh tun wollte.«
»Du… gehst nicht zu ihr?« fragte Bernec verwirrt.
»Nein. Nicht jetzt. Ich glaube, es ist besser, wenn wir uns eine Zeitlang nicht sehen. Ich werde zu Logar gehen und bei ihm übernachten, und morgen reite ich mit Mergell nach Ipcearn. Ich 'komme zu ihr, sobald ich zurück bin.«
Sie brachen bei Sonnenaufgang auf. Mergell hatte sich nicht sonderlich überrascht gezeigt, als Skar bei ihm erschienen war und kurz angebunden verkündet hatte, daß er mit nach Ipcearn reiten würde, aber der Abend war in einer angespannten, gereizten Atmosphäre verlaufen. Skar hatte es vorgezogen, nicht zu dem Fest zu gehen, das die Bewohner Wents für die Ipcearner — aber wohl auch für ihn —gegeben hatten, sondern war statt dessen früh in die Kammer gegangen, die ihm Logar zugewiesen hatte. Aber es hatte lange gedauert, bis er endlich Schlaf gefunden hatte, und als sie am Morgen aufbrachen, war er beinahe froh, Went verlassen zu können, wenigstens für eine Weile.
Wie am vergangenen Morgen hatte sich ein Großteil der Stadtbewohner am Tor versammelt, um den Reitern zuzusehen. Aber die Stimmung unter den Männern und Frauen war anders heute, völlig anders. War die Menge gestern fröhlich gewesen, fröhlich und neugierig, gemischt mit einer Spur von vorsichtigem Respekt und vielleicht auch — jetzt, nach den Informationen, die er von Del erhalten hatte, glaubte er das Gefühl, das er gestern nur unbewußt verspürt hatte, richtig deuten zu können — unterdrückter Furcht, schien jetzt beinahe so etwas wie Trauer über der Menge zu liegen, die sich rechts und links des Weges versammelt hatte.
Er hielt vergeblich nach Coar oder Larynn Ausschau, aber obwohl es ihn schmerzte, sie nicht zu sehen, war er auf der anderen Seite beinahe froh darüber.
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