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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Spielzeuglandschaft unter ihm, ein blitzendes Schmuckstück in einem Diorama aus fleckigem Grün und Weiß und dem allgegenwärtigen Donnern des Sturzes, einem Laut, der jedes andere Geräusch verschluckte und es hier, weniger als eine Meile von seinem Ursprung entfernt, unmöglich machte, sich zu unterhalten, ohne zu schreien. Es war wie das Brüllen eines Drachen, ein Schrei unstillbarer Wut, der seit einer oder vielleicht auch zehn Millionen Jahren anhielt und niemals enden würde, so lange sich diese Welt drehte. Ja, er konnte verstehen, warum die Quorrl ihr größtes Heiligtum ausgerechnet
    hier
errichtet hatten. Sie waren ein wildes Volk, trotz allem, und wenn es einen Ort gab, der dem Wort
Zorn
Gestalt verlieh, so war es der Sturz.
    Skar rief sich in Gedanken zur Ordnung und besann sich auf den Grund, aus dem er hergekommen war. Gleichzeitig gestand er sich ein, daß er auf Titch hören und sich die mühsame Kletterei hätte ersparen können. Der Goldene Tempel war ein phantastisches Bauwerk — aber als Festung nicht das Pergament wert, auf dem seine Grundrisse gezeichnet worden waren. Es gab keine Mauern oder Wälle; keine nennenswerten Verteidigungsanlagen; nicht einmal eine Möglichkeit, Schiffe oder Flöße am Anlegen auf den meilenlangen, vollkommen ebenen Stranden der Insel zu hindern. Heute abend, wenn die Sonne unterging, würden sie angreifen, und zwei Stunden später waren die Inseln in ihrer Hand — Skar war nicht nur sicher, daß es so kam: er
wußte
es.
    Auch das war etwas, was neu war: manchmal
wußte
er Dinge einfach. Und das war lange nicht alles. Er hatte das sichere Gefühl, daß er seine Kräfte gerade erst zu entdecken begonnen hatte.
    Es war so anders gewesen, so völlig anders, als er erwartet hatte. Der Daij-Djan, sein Dunkler Bruder, war nichts als…
    »Skar!«
    Durch das Dröhnen des Sturzes hindurch ahnte er den Ruf mehr, als er ihn hörte. Trotzdem sah er auf, hob die Hand über die Augen, um sie vor dem Sprühregen aus nadelspitzen Wassertropfen zu schützen, und sah in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Titchs Ruf hatte sich angehört, als komme er aus meilenweiter Entfernung, aber der Quorrl befand sich keine dreißig Schritte hinter ihm. Seine goldene Rüstung glänzte vor Nässe, und die Art, in der er das Bein nachzog, verriet Skar, daß er noch immer Schmerzen hatte. Anders als er brauchte der Quorrl Zeit, um die Verletzungen auszukurieren, die er in Caran davongetragen hatte.
    Skar ging ihm entgegen; weniger, um Titch den mühsamen Weg zu ersparen, als vielmehr, weil es unmittelbar am Rand der Schlucht unmöglich war, miteinander zu reden. Titch blieb stehen, schweratmend, taumelnd vor Erschöpfung und mit schmerzverzerrtem Gesicht. Für den Weg, den Skar in einer guten Stunde zurückgelegt hatte, mußte er kaum die halbe Zeit gebraucht haben. Skar hob die Hand und berührte den Quorrl flüchtig an der Schulter. Kraft floß wie ein unsichtbarer Strom aus seinen Fingern in den Körper des Quorrl; er spürte, wie Titchs Erschöpfung einer wohligen Mattigkeit wich und seine Schmerzen auf ein erträgliches Maß schwanden. Er hätte die Wunden des Quorrl auch heilen und ihn fast so stark und unverwundbar wie sich selbst machen können — aber das Entsetzen, mit dem Titch diesen Vorschlag abgelehnt hatte, hatte ihn daran gehindert, ihn ein zweites Mal zu machen. Der Quorrl wich auch jetzt fast erschrocken vor ihm zurück, kaum daß seine Finger ihn berührt hatten. Aber er protestierte nicht, sondern starrte ihn nur eine halbe Sekunde lang fast feindselig an, ehe er sich mit einem Ruck herumdrehte und auf das bunte Flickenmuster aus Zelten hinabdeutete, zwei Meilen unter ihnen im Tal.
    »Die Späher melden Reiter«, sagte er knapp. »Männer aus Ninga. Du solltest im Lager sein, wenn sie kommen.«
    Sein Blick wich dem Skars aus; wie stets seit
(waren es wirklich erst sieben Tage? Skar kam es länger vor)
sie Caran verlassen und sich auf den Weg hierher gemacht hatten, und wie immer in diesen endlosen Tagen und Nächten
(die Nächte waren das Schlimmste, er brauchte keinen Schlaf mehr, und in den endlosen Stunden, die er wach dalag und darauf wartete, daß es wieder Tag wurde, spürte er die Einsamkeit am stärksten),
versetzte es seither Skar einen dünnen, tiefgehenden Stich. Wie immer setzte er dazu an, etwas zu sagen, und wie stets konnte er es nicht. Es war absurd: er hatte die Macht eines Gottes, eine Macht, von der Kreaturen wie Ennart nur geträumt

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