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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Quorrl wie einem Menschen zu gehören schien, beugte sich über ihn, und Augen voller unstillbarer Gier blickten auf Skar herab. Er sah den Triumph darin, den er erwartet hatte, das Wissen um den sicheren Sieg — aber auch noch etwas anderes. Bedauern. Ein Bedauern, das Skar galt, aber nicht seinem Leben, sondern Enttäuschung jener Art war, auf die man ein unersetzliches Werkzeug betrachten mochte, das zerbrochen war.
    »Du bist ein Narr, Skar«, sagte Ennart. »Warum hast du mich gezwungen, dich zu töten?«
    »Du kannst… mich haben«, flüsterte Skar. Sein Blick suchte Titch und die anderen, aber er sah sie nicht mehr. Der Ring der Ungeheuer hatte sich geschlossen. »Versprich mir… Kiina freizulassen und schenke ihnen das Leben«, flüsterte er. »Und du kannst… mich haben.«
    Der Ssirhaa seufzte. »Es ist zu spät, Satai«, sagte er. »Dem Mädchen wird nichts geschehen, aber sie…« Er schüttelte bedauernd den Kopf. Er konnte Titch und die Bastarde nicht am Leben lassen. Nicht nach dem, was sie gesehen hatten.
    »Dann gewähre ihnen… wenigstens einen… ehrenhaften Tod«, flüsterte Skar. Er konnte kaum noch reden. Blut füllte seinen Mund. Er begann daran zu ersticken.
    »Selbst dein letzter Atemzug gilt einem anderen«, sagte Ennart lächelnd. »Welch eine Schande, dich so sinnlos zu töten. Was für eine Verschwendung.«
    Er zog sein Schwert. Skars Blick glitt ohne Furcht über die Klinge der gewaltigen Waffe, suchte noch einmal Titch und fand ihn diesmal: Der Quorrl stand Rücken an Rücken mit Rowl, mit gleich zwei Schwertern bewaffnet, bleich vor Entsetzen, aber reglos und ohne eine Spur von Furcht. Zwischen ihm und der Front von Ennarts Ungeheuern war weniger als ein Meter.
    Nicht so,
dachte Skar.
Laß ihn nicht so sterben.
Er hatte nicht mehr die Kraft, zu sprechen, aber Ennarts hoch erhobene Klinge verharrte für einen Moment, als hätte er seine Gedanken gelesen. Ihre Blicke trafen sich. Ennart lächelte.
    Und Skar dachte:
    Jetzt, Bruder. Wenn du mich noch haben willst, dann komm.
Und der
Daij-Djan
kam.

D er Fluß war so breit wie ein kleines Meer, mit einer Strömung, die so reißend war, daß Skar selbst aus zwei-, oder dreihundert Metern Höhe noch die kleinen Wirbel und Strudel erkennen konnte, die die Wucht des dahinschießenden Wassers in seine Oberfläche rissen, wie kleine wirbelnde Gespenster aus purer Bewegung, in unablässigem Werden und Vergehen. Die Felswand auf der anderen Seite des Canyons schien Meilen entfernt und kaum höher als zwei übereinandergelegte Finger; dabei war sie ein nicht enden wollender Sturz ins Nichts, eine viertel Meile hoch wie die Wand, auf deren Krone er stand, und von einem seit Äonen tobenden Sturmwind zu einem Spiegel aus reflektierendem grauen Gestein poliert.
    Skar schloß den Kragen seines schwarzen Satai-Mantels fester, um vor dem Sprühwasser geschützt zu sein, das selbst hier oben wie feiner alles durchdringender Nebel in der Luft hing. Es war kalt; auf den Wipfeln der Bäume im Norden lag noch Schnee, und die allgegenwärtige Feuchtigkeit machte alles noch schlimmer. Sein eigener Atem hing wie grauer Dampf vor seinem Gesicht und vermischte sich mit dem Sprühregen des Sturzes, und seine Finger prickelten vor Kälte. Vor seinen Stiefelspitzen, nicht einmal eine Handbreit entfernt, endete der Fels. Hinter der vor Feuchtigkeit glänzenden, tückisch-glatten Kante war das Nichts, ein dreihundert Meter tiefer Fall, dessen bloßer Anblick ihm noch vor wenigen Tagen den Magen herumgedreht hätte. Jetzt empfand er… nichts. Er hätte einen Schritt machen und in das tobende weiße Chaos dort unten eintauchen können, nur um eine halbe Stunde — oder auch fünf — später naß und frierend, aber unverletzt, irgendwo Meilen entfernt ans Ufer des Ningara zu kriechen und sich für seine eigene Dummheit zu verfluchen. Für einen Moment war er fast versucht, es zu tun; einfach nur, um sich selbst zu beweisen, daß er es
konnte.
    Skar lächelte. Der Gedanke war verrückt, aber er war nicht der erste seiner Art. In den letzten Tagen überkamen ihn die sonderbarsten Anwandlungen, und manchmal fiel es ihm schwer, ihnen zu widerstehen. Vielleicht war die Unsterblichkeit etwas, mit dem Menschen einfach nicht fertig werden konnten.
    Er verscheuchte auch diesen Gedanken, machte — sich selbst mißtrauend — einen Schritt zurück und wandte sich erst dann vollends nach Norden. Ninga, die Verbotenen Inseln und der Goldene Tempel lagen wie eine

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