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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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allein; nur Rowl verharrte stur an seinem Platz neben dem Eingang.
    »Warum hast du das getan?« flüsterte der Quorrl. »Um mir meine Machtlosigkeit zu beweisen?« Er lachte bitter. Etwas geschah mit seinen Augen, und plötzlich begriff Skar, daß er zum ersten Mal im Leben einen Quorrl weinen sah. Vielleicht war er der erste Mensch, der diesen Anblick erlebte. »Um mir zu zeigen, wie machtlos unsere Götter sind?«
    Skar schüttelte den Kopf. »Um dir zu zeigen, daß sie lügen«, sagte er. »Sie behaupten, Götter zu sein, und sie beweisen es, indem sie
euch
ihre Unsterblichkeit demonstrieren.« Er schlug die geballte Faust auf die blutige Stelle seiner Brust, an der der Dolch eingedrungen war. »Auch ich bin unverwundbar. Hältst du mich deshalb für einen Gott?«
    »Aber das ist unmöglich«, wimmerte der Quorrl. Er stand kurz davor, zusammenzubrechen. »Du kannst nicht —«
    »Nichts ist unmöglich«, sagte Skar. »Nenne es Zauberei, wenn du willst — aber das ist es nicht.«
    »Du bist ein Dämon«, flüsterte der Quorrl. »Du bist der, von dem geschrieben steht, daß er kommen und Enwor vernichten wird! Die Prophezeiung wird sich erfüllen!«
    »Geh«, sagte Skar einfach. Er spürte, wie sinnlos es war, jetzt weiter zu reden. »Geh in Frieden, Priester, und rede mit ihnen. Sprich mit deinen Brüdern, und sprich mit deinen Göttern. Und dann entscheide, was dir wichtiger ist — dein Glaube oder das Leben deines Volkes.«
    »Mein Volk!?« Der Quorrl gab einen Laut von sich, der wie ein kleiner Todesschrei klang. »Mein Volk, Satai? Du hast es bereits zerstört. Es gibt nichts mehr, was zu verteidigen sich lohnen würde. Cant wird niemals mehr sein, was es war, bevor du kamst.« Er zitterte. Unsicher drehte er den Kopf und starrte Rowl an, der noch immer reglos neben der Tür stand. »Du hast Cant vernichtet«, sagte er noch einmal. »Du hast die Zukunft unseres Volkes den
Bastarden
geschenkt.«
    »Ja«, sagte Skar.
    Und wieder war er allein. Es war Nacht geworden, schon vor Stunden, und vom Fluß drang das unermüdliche Hämmern und Sägen der Quorrl herauf, die mit Einbruch der Dämmerung mit dem Bau der Flöße begonnen hatten. Der Priester und seine Begleiter waren vor Stunden gegangen, und kurz darauf war Titch noch einmal zu ihm gekommen, mit irgendwelchen Fragen, an die er sich nicht mehr erinnerte; sowenig wie an seine Antworten.
    Seither war er allein. Und er würde es bleiben, bis die Sonne wieder aufging und der Angriff auf die Verbotenen Inseln begann. Niemand hier — und Skar zuallerletzt — hatte wirklich geglaubt, daß die Priester auf sein Ultimatum eingehen und tatsächlich kapitulieren würden. Und trotzdem fieberte Skar vielleicht am meisten von allen dem Abend entgegen, und als das geschah, womit er im Grunde gerechnet hatte — nämlich nichts — war er vielleicht von allen am tiefsten enttäuscht. Wider jede Logik hatte er sich eingeredet, daß sie es vielleicht noch verhindern konnten; daß am Ende vielleicht doch noch die Vernunft über den Haß siegen und der Krieg Quorrl gegen Quorrl nicht stattfinden würde.
    Aber hatte die Vernunft eigentlich jemals gesiegt?
    Skar kannte die Antwort, so, wie er — fast — alle Antworten auf — fast — alle Fragen kannte. Enwor wäre nicht, was es war, hätte sie gesiegt, damals, in jener unvorstellbar alten Welt. Der Welt, deren Bote er war. Ein letzter Gruß ihrer Urahnen, um zu vollenden, was sie begonnen hatten. Er würde es tun. Das Wissen war schon lange in ihm gewesen, vielleicht seit Jahren, ganz bestimmt aber seit jenem schrecklichen Moment vor sieben —jetzt fast acht — Tagen, in dem er seinem Dunklen Bruder endgültig erlaubt hatte, Gewalt über ihn zu erlangen; aber es hatte erst der Worte des Predigers bedurft, ihm die Kraft zu geben, es sich einzugestehen:
Du bist der Mann, von dem geschrieben steht, daß er Enwor vernichten wird.
    Es war die Wahrheit. Er war nicht als Befreier gekommen.
    Er war der Zerstörer.
    Skars Augen füllten sich mit brennenden Tränen, als jener winzige Teil in ihm, der noch Mensch war, die endgültige Wahrheit akzeptierte. Der
Schläfer
war niemals ein Beschützer gewesen. Kein unsichtbarer, allmächtiger Cherub, sondern der
Vollender
im bösesten, negativsten Sinne des Wortes. Wie die
Sternen-kreatur
war auch er nichts als eine Waffe, ein brodelndes finsteres Ding aus den tiefsten Abgründen der menschlichen Seele, geschaffen zum Vernichten, und sonst nichts. Eine Waffe wie

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