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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die
Sternenkreatur.
Ein
Teil
der
Sternenkreatur,
nur böser, gnadenloser, denn sie war nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus der letzten und unwiderstehlichsten Kraft der Schöpfung geschmiedet — der Seele.
    Diesmal hatte er nicht mehr die Kraft, die Erinnerungen zurückzudrängen.
    Es war so anders gewesen. So
entsetzlich
anders, als er erwartet hatte.
    Wenn du mich noch willst, dann komm, Bruder, hatte er gedacht. Und der Daij-Djan war gekommen, ein schwarzer Sturm aus dem Nichts, ein Orkan aus Haß und unwiderstehlicher Kraft, der mit der Schnelligkeit und Gewalt eines Blitzes in seinen Leib und sein Bewußtsein gefahren war, ein finsterer Tornado, der die Zeit zum erstarren brachte und die Schwärze zwischen seinen Gedanken zum Leben erweckte. Er hatte ihn nicht
unterworfen,
sondern war an
seinen Platz zurückgekehrt wie die verloren geglaubte Hälfte eines Talismanes, und aus Skar, dem Satai, und dem
Daij-Djan, der Sternenbestie, war wieder geworden, was es vor Äonen gewesen war, ein Ganzes, das millionenfach mächtiger war als die Summe seiner einzelnen Teile. Er hatte seine Persönlichkeit nicht verloren, nicht einmal seine Erinnerungen oder sein Selbst, sondern etwas
hinzugewonnen.
Es war wie in jenem schrecklichen Moment in Drasks Burg gewesen — für Bruchteile von Sekunden, nicht einmal die Zeit, die der Gedanke brauchte, sich zu bilden, war er wieder in die entsetzliche Welt des Alptraumes hinabgetaucht, hatte die Stimmen der Alten gehört, und
Wissen
war in ihn geflossen, Wissen von ungeheurer, beinahe allumfassender Größe: Macht in seiner reinsten, erbarmungslosesten Form. Aber anders, als er geglaubt hatte, hatte sich sein Ich nicht in diesen Strudel fremder Empfindungen und Gedanken aufgelöst, sondern im Gegenteil
ihn
in sich aufgesogen, und aus Skar war wieder Skar geworden, gleichzeitig aber auch der Daij-Djan, und der Schläfer, der endlich erwacht war, um seinen uralten Auftrag zu erfüllen.
    Die Kraft und Unsterblichkeit, die der Daij-Djan ihm versprochen hatte, kamen — aber sie waren nebensächlich. Den wirklichen, wahren Preis hatte ihm sein Dunkler Bruder verschwiegen; vielleicht, weil er ihn selbst nicht gekannt hatte. Er war aufgestanden, hatte Ennarts Schwert und fast in dergleichen Sekunde seinen Leib
    zerbrochen, und gleich seinem Dunklen Bruder zuvor war er für Minuten in Raserei verfallen, einem tobenden Blutrausch, dem letzten Aufschrei des Daij-Djan in sich, der zu spät begriff, daß auch er getäuscht worden und nicht Skar, sondern
er
das Opfer war. Er hatte Dutzende von Quorrl getötet, aber das alles war nebensächlich, fast unwirklich. Es war das Wissen gewesen, was ihn erschütterte. Das Wissen, wer er war.
Warum
er geschickt worden war.
    »Einen
Dirne
für deine Gedanken, Hoher Satai«, sagte eine leise Stimme vom Eingang her.
    Skar sah auf, versuchte die lastenden Schatten am anderen Ende des Zeltes mit Blicken zu durchdringen und erkannte einen schlanken, in fließendes Schwarz gekleideten Schemen. Kiina.
    Mit Ausnahme Titchs und Rowls war sie die einzige, die sein Zelt ohne Anmeldung betreten durfte; vielleicht sogar die einzige, die es aus freien Stücken betreten
wollte.
    »Meine Gedanken?« Skar lächelte matt. Kiina war zu weit entfernt, um sein Gesicht zu erkennen, denn mit Einbruch der Dämmerung hatte die Dunkelheit auch Besitz von seinem Zelt genommen, und die einzelne Kerze, die er entzündet hatte, schuf mehr Schatten als Helligkeit. So konnte er es sich leisten, einfach noch ein paar Sekunden dazusitzen und nicht einmal die Hand zu heben, um die Tränen von seinem Gesicht zu wischen. Dann, als Kiina sich doch bewegte und mit einem leisen Rascheln von Seide und dem Klirren von Metall auf ihn zukam, tat er es natürlich doch. Trotz allem war er noch immer zu sehr Mensch, um nicht noch die Scham zu kennen.
    »Ich könnte mein Angebot erhöhen«, sagte Kiina, als er nicht antwortete. »Zwei
Dirne?«
Sie lächelte entschuldigend. »Mehr habe ich nicht. Ich bin die Tochter eines armen Satai.«
    »Ich würde sie dir schenken«, antwortete Skar. »Aber ich bin sicher, du willst sie nicht wissen.«
    Kiina kam abermals näher und blieb wieder stehen; zwei Schritte vor seinem Thronsessel, in der Distanz, die sie stets einhielt, als wäre da eine unsichtbare, aber unüberwindliche Wand, eine Mauer aus Glas und Furcht, die kein lebendes Wesen durchdringen konnte, ohne Schaden zu nehmen.
    Er verscheuchte den Gedanken. Vielleicht war es das letzte Mal, daß er

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