Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
aufgetaucht waren. Skar sank mühsam um Atem ringend gegen einen Trümmerbrocken, während Titch den flüchtenden Gardesoldaten fassungslos nachblickte. »Was —?«
»Sie wollen mich lebend, Titch«, flüsterte Skar. Übelkeit stieg in seiner Kehle empor und machte das Sprechen zur Qual. Unter seiner Zunge sammelte sich bittere Galle. Sein Herz schlug plötzlich ganz langsam; aber so schwer, daß er jeden Pulsschlag bis in die Fingerspitzen fühlte. Er versuchte, sich von seinem Halt zu lösen und auf Titch zuzutaumeln, aber seine Kräfte versagten.
»Hilf mir, Titch», stöhnte er.
Der Quorrl stemmte sich ächzend in die Höhe und kam auf ihn zu, ein riesiger, verzerrter Schatten, dessen Umrisse sich vor Skars Augen aufzulösen schienen wie ein Spiegelbild auf klarem Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hatte. Dahinter kam etwas anderes zum Vorschein, etwas dunkles, spinnengliedriges, dürres, das Skar spöttisch zuwinkte,
jetzt, Bruder. Jetzt. Ich habe dir gesagt, daß ich gewinne, so oder so.
Der
Daij-Djan
verschwand und wurde wieder zu Titch, und aus der dürren Insektenklaue wurden die starken Hände eines Quorrl, der ihn hielt. Skars Knie gaben unter seinem Körpergewicht nach. Er fiel, spürte, wie Titch ihn auffing und ihn stützte, als ihm die Kraft fehlte, zu gehen.
Der nächste Eindruck, den er bewußt wahrnahm, war der zahlloser schwerer Körper, die sich um ihn drängten und einen lebenden Schutzwall für Titch und ihn bildeten, eine Gasse aus Quorrl-Kriegern, an deren Ende eine hünenhafte geschuppte Gestalt in einem flammendroten Mantel stand, die Titch mit einer Mischung aus Erleichterung und Entsetzen entgegensah.
Er erinnerte sich nicht, gelaufen zu sein. Sein Körper hatte einfach weiter einen Fuß vor den anderen gesetzt, aber ohne Titchs Hilfe hätte er es niemals geschafft. Rings um ihn herum tobte ein Chaos aus Lauten und Bewegungen, die keinen Sinn mehr zu ergeben schienen. Die Quorrl hatten sich in einer Felsspalte aus rotem Stahl verschanzt, und er glaubte zu spüren, daß der Kampf ein wenig an Heftigkeit eingebüßt hatte, aber er hatte nicht einmal mehr die Energie, sich darauf zu konzentrieren. Kraflos sank er auf die Knie herab, ließ sich gegen den kalten Stahl sinken und schloß die Augen. Schmerzen pulsierten durch seinen Körper, in immer schnelleren, immer heißeren Wogen. Er hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen.
»Was ist hier los?« fragte Titch, an Rowl gewandt. »Wo sind deine Männer?«
Rowl antwortete nicht sofort, sondern beugte sich über Skar und blickte ihn sekundenlang mit steinernem Gesicht an, ehe er sich mit einem Ruck umwandte und zu Titch aufsah. »Tot.« Er machte eine knappe, wedelnde Handbewegung. »Das hier sind alle, die noch leben. Aber warum«, fügte er mit veränderter, zischender Stimme hinzu, »fragst du nicht, wo
deine
Krieger sind, Titch?«
»Meine…?« Titch blinzelte irritiert. »Was… soll das heißen?«
Rowl deutete mit einer zornigen Geste auf den gegenüberliegenden Rand des Kraterwalles. Skar glaubte Gestalten dort oben zu erkennen, Reihen um Reihen gedrungener schuppiger Gestalten in den graubraunen Lederharnischen quorrlscher Krieger, aber das war lächerlich, es waren Titchs Soldaten, die Krieger, die er nach Enwor gebracht hatte, um gegen die
Sternengeborenen
zu kämpfen, Männer, die…
Seine Gedanken begannen sich zu verwirren. Jetzt, als die unmittelbare Gefahr überstanden war, schlugen Erschöpfung und Schmerzen mit aller Wucht zu. Etwas Großes, Dunkles schob sich in sein Bewußtsein und begann sein Denken einzuweben. Das letzte bißchen Kraft versiegte, und ein Gefühl von Wärme und Schwere machte sich in ihm breit: Eine Erschöpfung, die noch tiefer war als die, die er bisher verspürt hatte, aber von völlig anderer, beinahe wohltuender Art.
War das der Tod?
dachte er. Aber wenn ja, dann war er anders, als er immer geglaubt hatte, denn der Friede, den der Tod doch angeblich bringen sollte, kam nicht. Trotz der wohltuenden Mat-tigkeit in seinen Gliedern wurden die Schmerzen in seinem Körper schlimmer. Skar hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen, von einem inneren, lodernden Fieber aufgezehrt zu werden.
Er glaubte zu spüren, wie sich das Fleisch von seinen Knochen löste, wie er zerfiel, bei lebendigem Leibe verbrannte von dem kalten Feuer, das er in Elay eingeatmet hatte.
Und das auch Kiina töten würde, denn auch sie hatte der Hauch des Sternenfeuers gestreift.
Der Gedanke gab ihm die Kraft, der
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