Enwor 11 - Das elfte Buch
kommt er überhaupt hierher? Er wollte doch nach dem
Frarr
suchen…«
»Vielleicht hat er ihn ja gefunden«, murmelte Skar, »und ist uns hinterhergeflogen.«
»Was?«
»Nichts«, sagte Skar knapp. »Das ist nicht wichtig. Zumindest jetzt nicht.«
Zu seiner Überraschung zitterten Kamas Lider in diesem Moment und dann schlug er tatsächlich die Augen auf, doch Skars Vorfreude wandelte sich in Entsetzen, als er sah, dass seine Pupillen nach oben weggedreht waren, sodass man fasst nur das Weiße seiner Augen sehen konnte. Die glasigen Augäpfel wanderten in seine Richtung, als würde ihn der Nahrak beobachten, aber es war kein Erkennen in ihnen und überhaupt kein Zeichen, dass er überhaupt etwas wahrnahm.
Das gefiel Skar ganz und gar nicht. Er packte den Nahrak so rasch wie möglich, damit nicht Esanna auf diese merkwürdig aufgerissenen Augen aufmerksam wurde, und lud ihn sich über die Schulter. Nachdem er das Bein eines toten Quorrl beiseite geschoben hatte — es war der Krieger, den Esanna durch einen beherzten Wurf ihres Messers ausgeschaltet hatte — ging er mit dem Nahrak auf dem Rücken noch einmal in die Hocke, um Esannas Klinge an sich zu nehmen.
Mit einen harten Ruck zog er die Waffe aus dem Hals des Giganten und schaumiges, hellrotes Blut sprudelte hervor, so frisch, dass er nicht sicher war, ob der Koloss wirklich tot war; er stieß die Waffe ohne zu Zögern noch einmal in die Halsschlagader des Kriegers, drehte sie kräftig herum und zog sie dann, nachdem die Augen des Quorrls gebrochen waren, endgültig hervor, bevor er die Waffe am Gewand des Toten abwischte und sie dann dem Mädchen reichte.
Esanna wich einen Schritt vor ihm zurück. »Warum hast du das gemacht?«, stieß sie voller Abscheu hervor und ohne das Messer anzurühren.
Skar brauchte einen Moment, um überhaupt zu begreifen, was sie gemeint haben könnte. »Ich war es ihm schuldig«, sagte er dann. »Ich fürchtete, dass er vielleicht noch ein paar Stunden in seinem Blut liegen bleiben könnte, bevor er stirbt.«
»Das ist… ekelhaft.«: Sie stand stocksteif da und musterte ihn voller Verachtung. »Du bist ein Tier. Ein blutrünstiges Tier.«
Skar stieß mit dem Fuß gegen den Quorrl. »Siehst du?
Jetzt ist er tot. Vorher war er es nicht. Hätte ich sein Leiden verlängern sollen?«
»Bei allen Göttern«, stammelte Esanna. »Und ich dachte, du wärst ein Quorrl-Freund. Ich habe nicht geahnt, dass du sie mehr hasst als ich. Du bist wie ein Wirbelwind unter sie gefahren, hast ihnen nicht die geringste Chance gelassen.« »Ich hasse sie nicht«, sagte Skar ärgerlich, während er Esannas Messer in seinen Gürtel steckte. »In diesem Fall ging es ganz einfach um die Frage: sie oder wir. Außerdem haben wir keine Zeit für Diskussionen. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden. Wo vier Quorrl waren, können auch noch mehr sein — zumal mir diese vier sehr sorglos zu sein schienen, so als hätten die Quorrl das ganze Gebiet hier unter Kontrolle.«
Esanna sah sich gehetzt, aber gleichzeitig etwas übertrieben nach allen Seiten um. »Ich höre nichts«, behauptete sie. »Das hat nichts zu bedeuten«, antwortete Skar und erinnerte sich schaudernd daran, dass er das Näherkommen des Quorrl-Trupps erst bemerkt hatte, als es schon fast zu spät gewesen war. Sein ganzes Leben hatte er sich auf seine Sinne verlassen können und es war für ihn unvorstellbar, dass er plötzlich und ohne jede Vorwarnung diese Gabe verloren haben sollte. Was das für Konsequenzen haben konnte, zeigten ihm die Ereignisse der letzten Minuten:
Hätte er die Quorrl rechtzeitig gehört, wäre ihm dieses Blutbad womöglich erspart geblieben, denn dann wäre genug Zeit geblieben ihnen aus dem Weg zu gehen.
»Lass uns mit dem Pferd verschwinden«, sagte er. »Wir müssen sehen, dass wir uns so schnell wie möglich nach Nemesis durchschlagen.«
Esanna starrte ihn noch einen Moment bleich und anklagend an, dann wandte sie sich wortlos um und lief mit schnellen Schritten zu der Lichtung zurück, auf der der geköpfte Quorrl lag — und der Braune stand, ihre vielleicht einzige Chance noch rechtzeitig von hier wegzukommen.
Skar atmete innerlich auf. Er war versucht gewesen auf Esannas Anschuldigungen einzugehen und sie mit schroffen Worten zurückzuweisen; und das, obwohl er wusste, dass ein Streit zu diesem Zeitpunkt nicht nur äußerst sinnlos war, sondern auch höchst gefährlich, nicht nur, weil er Zeit kostete, sondern ihn auch davon
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