Enwor 11 - Das elfte Buch
ihnen verraten, dass wir die Erweckung vorbereiten. Das genau war ihre Chance. Der einzige Zeitpunkt, zu dem unsere Wachsamkeit nicht so groß war wie sonst.«
»So ein Schwachsinn«, knurrte Skar. »Es war der Schutz des Nebels, den die Quorrl genutzt haben. Obwohl ich nicht einmal glaube, dass sie irgendeinen Schutz gebraucht hätten.« »Sie brauchten keinen Schutz, weil Ihr uns verraten habt.« In Esannas weit aufgerissenen Augen stand ein Ausdruck fassungslosen Entsetzens, so als würde sie dem Mörder ihrer Familie ins Gesicht blicken und könnte einfach nicht glauben, dass ihn noch nicht einmal das geringste Schuldgefühl plagte. »Aber das ist Euch gleichgültig, nicht wahr? Es interessiert Euch nicht im Geringsten, wie viel Leid Ihr über mich und all die anderen gebracht habt!«
»Es tut mir Leid, was passiert ist«, sagte Skar. »Aber ich habe nichts mit dem Hass zwischen euch und den Quorrl zu tun. Und verraten habe ich schon gar nichts.«
Esannas Hände begannen für einen Moment zu zittern.
»Ihr seid ein Verräter«, sagte sie erschüttert. »Möge Euch der Tod noch heute Nacht im Schlaf ereilen.«
»Danke für die frommen Wünsche«, sagte er schroff und dachte daran, dass
ihn
der Tod schon längst geholt hatte —was aber nicht hieß, dass er es nicht noch einmal tat. »Menschen und Quorrl dreschen aufeinander ein, wo auch immer sie können — aber das heute… das war
anders.
Ich will wissen, warum.«
»Natürlich war es
anders«,
sagte Esanna wütend.
»Schließlich sind wir Digger. Die Quorrl sind unsere Todfeinde. Wann immer sie einen von uns erwischen, metzeln sie ihn nieder…« Sie brach ab und schluchzte. Es war offensichtlich, dass sie gegen Tränen ankämpfte, aber auch genauso sinnlos. Sie weinte leise vor sich hin, in einem Schmerz, dessen ganze Kraft sich sicherlich erst in den nächsten Tagen entfalten würde, wenn der Schock nachließ und sie die ganze Tragweite des heute Geschehenen nicht mehr länger vor sich verleugnen konnte.
Skar starrte in das prasselnde Feuer, das er nur mit Mühe in Gang hatte setzen können; es war kaum trockenes Laub oder Reisig in diesem Teil der Höhle zu finden gewesen, aber immerhin einige, wohl von einem früheren Besucher dieses ungastlichen Unterschlupfs zusammengesammelte Holzstücke. Er wollte Entsetzen empfinden, Furcht, Schmerz, Verzweiflung, aber in ihm war
nichts.
Jedenfalls nichts von alledem. Der mannigfache Tod der Digger, ihr Sterben und Leiden, ließ ihn merkwürdig kalt. Es war sogar beinahe so, als würde etwas in ihm so etwas wie Genugtuung bei dem Gedanken empfinden, dass das Dorf der Digger nun dem Erdboden gleichgemacht worden war.
Ein paar Atemzüge lang verlor er sich vollkommen in den Flammen, ihrem Züngeln und spielerischen Ausfällen in die kalte Nacht hinein, ins Spiel der Rauchschwaden, die, von der immer noch eiskalten, zugigen Luft mitgerissen, in verwirrenden Mustern zum fernen Ausgang gewirbelt wurden, und in das Knistern und Prasseln des Holzes, das ihm nach den schrecklichen Schreien, dem Stöhnen und dem Waffengeklirr wie das Versprechen einer fernen heilen Welt erschien. Während ihn das unergründliche Züngeln der kleinen Flämmchen noch gefangen nahm, bemerkte er aus den Augenwinkeln eine andere Bewegung, ein vorsichtiges Voranschieben von Esannas zierlicher Hand, die sich unter ihren Rock schob wie eine Schlange auf der Suche nach einer schnellen Beute. Es war vielleicht den sich schrecklich überstürzenden Ereignissen des Nachmittags zuzuschreiben, der Erschöpfung der äußerst bizarren Wanderung durch das unwegsame, kaum einsichtige Gelände, durch das sie auf ihrem wie von einer unsichtbaren Hand gelenkten Weg hierhin gelangt waren: Seine Reaktion war viel langsamer, als man sie von einem Ausnahmekrieger wie ihm erwarten durfe.
Esannas Hand kam wieder vor und sie war nicht leer. Spätestens das metallische Aufblitzen hätte ihn warnen müssen oder die in einer schnell Bewegung nach oben gerissene Hand. Nichts von alledem geschah. Er wandte in einer geradezu grotesk langsamen Bewegung den Kopf zu ihr um, wie es vielleicht ein Bauer tun würde, der sich in einem Wirtshaus einem überraschenden Angriff gegenübersah. Auch als sich Esanna mit einem Aufschrei auf ihn stürzte, reagierte er nicht. Ihre Hand, die den zierlichen Schaft des Messers so fest umklammerte, dass das Weiß ihrer Knöchel hervortrat, zuckte nach unten, genau in Richtung seines Halses.
Erst in diesem Moment handelte er, endlich,
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