Enwor 11 - Das elfte Buch
die Kontrolle über seinen Körper verloren zu haben. Halb nackt, wie er inmitten der zusammenstürzenden Höhle stand, vollkommen verspannt und verkrampft, war er das Zentrum von etwas, das aus der Unendlichkeit in ihn einströmte.
Der schwarze Peitschenarm, der Skars Handgelenk umklammert hielt, löste sich plötzlich. Die Tentakel, die sich gerade noch um seine Arme und Beine gewunden hatten und zu seinem Hals, zu seinem Gesicht hinauffingerten, glitten von ihm ab, als würden sie keinen Halt mehr finden, rutschten ab, schlugen klatschend in den sich windenden Pfuhl zu seinen Füßen. Ein helles Singen setzte ein, ein Geräusch, das Gläser zum Zerspringen gebracht hätte und das Donnern, Zischen, Krachen mit einer erschreckenden Leichtigkeit übertönte, sich in seine Gehörgänge bohrte und ihn fast wahnsinnig vor Schmerz machte.
Der Schmerz raste wie ein Blitzschlag durch seinen Körper. Er schrie auf und fiel auf die Knie, mit grotesk hochgereckten Armen, die immer noch Esanna stützten, ohne sie auch nur einen Zoll sinken zu lassen. Der Schmerz war so schlimm, dass er ihm die Tränen in die Augen trieb und in ihm kein Platz mehr war außer für Entsetzen. Er wusste, dass er sterben würde, dass nichts und niemand diese Energie länger als nur ein paar Sekunden aushalten konnte, die ihn in diesem Moment durchflutete.
Aber es kam anders; völlig anders.
Die schwarze, glitschige Masse wich vor ihm zurück, als wäre er zur personifizierten Khtaäm-Waffe geworden. Funken sprühten in seiner direkten Umgebung auf, etwas ko-kelte und blauweiße Blitze huschten über den Boden, fuhren in den dunklen Angreifer und verbrannten zischend, was sich nicht schnell genug zurückgezogen hatte. Aus einer anderen Lage heraus hätte Skar jetzt vielleicht Erleichterung verspürt. Aber etwas in ihm ahnte die schreckliche Wahrheit, bevor sie sich in der Wirklichkeit manifestierte.
Es gleißender Blitz schlug vor ihm in den Boden ein.
Dann ging alles so schnell, dass er nicht mehr die geringste Gegenmaßnahme ergreifen konnte. Die Höhle brach in sich zusammen. Es war nur die logische Konsequenz, nachdem Teile der Wände zerbröselt waren, tragendes Gestein zerborsten und Nischen in sich zusammengestürzt waren. Jetzt geriet auch die Decke in Gefahr, platzten Gesteinsbrocken weg, glitten, sprangen, krabbelten die kleinen Khtaam-Larven aufgeregt übereinander, als wollten sie der unausweichlichen Katastrophe in letzter Sekunde entkommen.
Der Boden unter ihnen schwankte, als wäre er nicht aus massivem Gestein, sondern aus dünnem Weidengeflecht. Es erschien ihm wie eine reine Verhöhnung des Schicksals, dass er nun mit der reglosen Esanna in den Armen inmitten der Höhle wie ein Sieger dastand, der diesen ungleichen Kampf gegen den personifizierten Schrecken vorerst zu seinen Gunsten entschieden hatte — nur um jetzt lebendig begraben zu werden.
Ein Donnerschlag erschütterte die Höhle und dann war der Alptraum auch schon über ihm. Ein Großteil der Höhlendecke hinter ihm ging krachend zu Boden. Der Aufprall erschütterte den Boden, als wollte er ihn gleich mit in die Tiefe reißen, als wäre die Höhle weit weniger massiv, als er bislang geglaubt hatte. Skar sah die begleitende Gerölllawine nur aus den Augenwinkeln, aber er wusste auch so, dass jetzt das Ende kam. Ein wütender Hagel aus kleineren und größeren Felssplittern ging auf ihm nieder; etwas Hartes traf seinen Hinterkopf und ließ ihn taumeln.
Aus dem Splitterregen schoss wie aus dem Nichts eine Gestalt auf ihn zu und er erkannte Kama, den Anführer der Nahrak, der furchtbar zugerichtet war, aber immerhin noch lebte. »Lauf!«, schrie der kleine Mann gegen den Höllenlärm an. »Wir müssen weg hier!«
Die Warnung kommt ein bisschen spät, hätte ihm Skar am liebsten entgegengeschrien. Doch stattdessen stolperte er verblüfft in die Richtung, in die ihn der Nahrak stieß, hinein in ein Spinnennetz von Blitzen inmitten einer flackernden Masse und ohne Esanna loszulassen, die er noch immer fest umklammert hielt. Dicht vor ihm rauschte ein großer Gesteinsbrocken in die Tiefe und er wich mit einer schnellen Bewegung aus. Kama hätte ihn jetzt gar nicht mehr antreiben müssen; er folgte dem Nahrak auch so, als würde ihm eine Stimme in seinem Inneren zuflüstern, dass er nur so noch eine verschwindend geringe Chance hatte hier lebend herauszukommen.
Erneut ging ein Teil der Decke zu Bruch; mehrere große Felsplatten schmetterten auf die Stelle nieder, an der
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