Enwor 11 - Das elfte Buch
Angriff übermächtiger Gegner gewartet zu haben.
Und wieder einmal wünschte er sich, Del wäre hier. Der hühnenhafte Satai hatte mit seiner unbekümmerten und oft respektlosen Art den exakten Gegenpunkt zu ihm selbst gesetzt. Mit ihm zusammen hatte er sich… ein Stück weit als
unbesiegbar
empfunden. Nicht in der Art, dass er in jedem Kampf siegreich zu bestehen geglaubt hatte. Auch nicht so, dass er keine Todesfurcht mehr empfunden hatte.
Es war einzig und allein so gewesen, dass mit Del zusammen eine Niederlage keine Niederlage gewesen war, nicht im Sinne ihres Wortes.
Er fing einen Blick Esannas auf und zuckte zusammen.
Ihr Blick war — zu wissend. So, als hätte sie seine Gedanken erraten. Er erinnerte sich an den Rhythmus ihres Herzschlags, als sie sich an ihn gepresst hatte und es bedeutete ihm gleichzeitig überhaupt nichts und sehr viel. Vielleicht, weil sie gleich alle tot sein würden.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Esanna. »Was für eine Bestimmung?«
»Jetzt… nicht«, flüsterte der Nahrak. »Frag jetzt nichts.
Wir müssen weg!«
»Weg?«, fragte Esanna. Ihre Stimme klang flach und gleichermaßen gepresst. »Aber wohin?«
Diese Frage, fand Skar, war nur allzu berechtigt. Während er sich von dem Felsen hochstemmte und den brennenden Schmerz in seinem Rücken zu ignorieren versuchte, der wie ein glühender Dolch seine Wirbelsäule hinabfuhr, wurde er sich nur zu bewusst, dass Kama die Führung ihrer kleinen Truppe übernommen zu haben glaubte. Sollte er. Wenn es an der Zeit war, würde Skar ihn eines Besseren belehren. Keinesfalls jedenfalls würde er ihm blindlings irgendwohin folgen.
»Zum Ausgang«, sagte Kama.
»Warum sind wir dann nicht schon früher los?«, fragte Skar. Er stand mittlerweile oder besser gesagt, er stützte sich mit der linken Hand an dem Felsen ab und versuchte das Zittern in seinen Beinen zu unterdrücken.
Kama schüttelte nur unwillig den Kopf und deutete in die Richtung hinter ihnen. »Los jetzt«, zischte er.
Skar stieß sich wortlos ab. Er wusste, dass die Bedrohung aus dem Bereich der Höhle kommen würde, in die die drei Nahrak schon seit Minuten nervös geblickt hatten, und dass sie Kama somit tatsächlich in die richtige Richtung führte. Die Frage war nur, ob sie noch rechtzeitig wegkamen — und ob sie nicht in eine Falle liefen.
Ein Teil seiner Frage wurde sofort beantwortet. Noch bevor sie die ersten Meter hinter sich gebracht hatten, hielten Schatten auf sie zu, die in ihrem Dunkelgrün eine Spur zu tief waren, um ganz von der schummrigen Beleuchtung aufgesogen zu werden. Schatten, die zu wachsen schienen, langsam, fast unmerklich, und die gleichzeitig dunkler wurden, eine Schwärze annahmen, der etwas Widernatürliches anhaftete. Ihm war, als würde ein leiser Ruck durch die Wirklichkeit laufen, als würde sich die Realität um ein winziges Stückchen in jene Richtung verschieben, wo Alpträume und Wahnsinn nisteten, und in seinem Kopf drehte sich alles, während er gleichzeitig Esanna brutal am Arm packte und mit sich zog.
Es war absurd. Bei dem Sturz aus der zusammenbrechenden Höhle irgendwo über ihnen mussten seine gesamten Knochen und sein Rückgrat zusammengestaucht worden sein, wenn er sich nicht sogar bislang unbemerkt gebliebene Brüche eingehandelt hatte; vielleicht hatte er auch innere Verletzungen davon getragen. Seine Beine wollten jedenfalls seinen Befehlen nicht gehorchen und er wäre wahrscheinlich eingeknickt und jämmerlich zu Boden gegangen, wenn ihn Esanna nicht gestützt hätte. Zum wiederholten Male fragte sich Skar, woher dieses schmale Wesen die Kraft dazu nahm.
Dann war es heran; was immer es war. Er nahm die Bewegung nur aus den Augenwinkeln wahr. Aus den dunklen Schatten formten sich bizarre Wirbel, manifestierten sich zu etwas Festem, Stofflichem, schnellen Kriegern ähnlich, die ihre ganze Geschicklichkeit einsetzten, um einen Feind zu überraschen.
Aber es waren keine Menschen. Skars Herz setzte für einen Schlag aus. Dann noch einen. Und noch einen. Als es weiterhämmerte, geschah es mit zehnfacher Schnelligkeit und so hart, dass er schlagartig am ganzen Leib zu zittern begann. Er wartete darauf, dass die Angst zuschlug, aber das geschah nicht. Sein Körper reagierte schneller auf den Schock als sein Geist. Er empfand… nichts.
Esanna war mitten im Schritt stehen geblieben. Sie zitterte am ganzen Leib und plötzlich war Skar es, der
sie
stützen musste. Er merkte es nicht einmal. Alles in ihm war nur noch
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