Enwor 11 - Das elfte Buch
Aufruhr und Panik, wirre Gedanken und Gefühle, die sich nicht bändigen ließen, der Drang wegzulaufen und sich doch gleichzeitig dem Kampf, der eigenen und unaufhaltsamen Vernichtung zu stellen, nur um dem Ganzen so schnell wie möglich ein Ende zu machen.
Es war nur ein Augenblick, vielleicht der zehnte Teil einer Sekunde, aber für diesen winzigen Moment hatte er das Gefühl eine Woge aus kompaktem schwarzem Nichts auf sich zugleiten zu sehen. Irgendetwas war
falsch
an dieser verschlingenden Schwärze, auf entsetzliche, nicht in Worte zu fassende, aber unübersehbare Weise
falsch.
Alles in ihm schien nichts weiter als ein einziger Warnschrei zu sein, ein Nichtbegreifen, eine Fassungslosigkeit…
Dann veränderte es sich. Ein waberndes, grünes Licht brach aus der schwarzen Finsternis hervor. Wieder dauerte es nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor es sich abermals änderte, und diesmal so massiv, dass er nicht mehr als ein Stöhnen hervorbringen konnte angesichts des pulsierenden grünen Lichts, dieser ungesunden, diffusen Helligkeit, aus der es herausbrach, die es durchschritt, direkt auf ihn, Esanna und die Nahrak zu…
Es war ein unerträglicher Anblick, dort, noch etliche Schritte vor ihnen, ein unbeschreibliches Wesen, mit nichts vergleichbar, was ansonsten auf Enwor existierte, nicht mit den Drachen, den die
Errish
geritten hatten, nicht mit den
Ssirhaa,
gegen die die Quorrl nichts als harmlose Popanze waren, und auch nicht die Insektenkrieger mit ihren stahlharten Chitinpanzern, gegen die Skar seinen wohl erbittertsten Kampf geführt hatte. Es war etwas wie aus einer anderen Welt und doch vertraut, etwas wie der Urahn
der Khtaäm,
unendlich viel größer als ein Einzelnes dieser nachtschwarzen Wesen und doch von fast gedrungener Gestalt.
Aber dann wurde ihm klar, wie unbedeutend ein Körper war.
In ihm war keine Angst vor dem Tod. Es war tausendmal schlimmer. Er packte die Hand der in Panik erstarrten Esanna und lief los, direkt auf die Kreatur zu und doch von ihr weg. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie wirklich einen Körper hatte, oder ob sie nicht vielmehr aus tausenden winziger Larven bestand oder aus etwas gänzlich anderem, was sein Verstand nicht zu erfassen vermochte.
Kama war vor ihm und die beiden anderen Nahrak an seiner Seite, als wären sie noch immer bereit ihn und das Mädchen wie perfekte Leibwächter mit ihrem Leben zu schützen. Dennoch versuchte Skar einen Haken zu schlagen —soweit das die Höhlenwände zuließen — und stürmte wie von Sinnen weiter, sodass sein gemarterter Körper mit einer neuen Schmerzwelle reagierte; die Anstrengung trieb blutige Schleier vor seine Augen. Noch immer hielt er dabei Esannas Hand fest umklammert, mit eisenhartem Griff, als würde sein Leben davon abhängen, und das, obwohl der Tod überhaupt keine Bedeutung mehr für ihn hatte, jedenfalls nicht die, die er für normale Menschen hatte.
Er kam nicht weit. Bitterer, toter Geschmack verklebte ihm Mund und Nase, legte sich auf seine Lungen und nahm ihm die Luft zum Atmen, ließ ihn gierig nach Luft schnappen, während seine Beine mit jedem Schritt schwerer wurden und sein Rücken zu einem einzigen brennenden Flammenmeer wurde. Gleichzeitig schien die Dunkelheit vor ihm intensiver zu werden, als sauge die Erscheinung das letzte bisschen Licht auf, das diesen Teil des geheimnisvollen unterirdischen Komplexes erleuchtete, der sich in eine tödliche Falle verwandelt hatte.
Was aber den Ausschlag gab, waren die Nahrak, die im selben Moment wie er losgestürmt waren und ebenfalls sehr schnell zu begreifen schienen, dass ein Entkommen unmöglich war. Als die Kreatur vor ihnen aus dem grün wallenden Nebel auftauchte, machten sie seine rasche Ausweichbewegung im ersten Moment mit, verlangsamten dann aber schon sehr bald ihre Schritte. Um Kama nicht über den Haufen zu rennen, mussten Skar und Esanna abrupt abbremsen.
Kama breitete die Arme aus und einen Herzschlag lang glaubte Skar, er wollte eine komplizierte Abwehrbewegung einleiten. Doch als sich der Nahrak mit einer abstrusen Drehung zu ihm umwandte, begriff er, dass der Mann fassungslos und mit einer Mischung aus schierem Unglauben und abgrundtiefem Entsetzen auf die groteske Erscheinung gestarrt hatte und nun gleich ihm nicht mehr weiterwusste:
In seinen Augen stand ein Grauen, das nicht hätte größer sein können, hätte er alleine einem Tausend-Mann-Heer gegenübergestanden.
»Stehen bleiben!«, schrie er. »Oder wir sein
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