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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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seiner Seele Besitz ergriffen hatte und ihn langsam von innen heraus aufzufressen schien. Obwohl sie bereits so nahe daran waren, daß er meinte, nur noch die Hand ausstrecken zu müssen, um ihre Mauern zu berühren, konnte er sie immer noch nicht richtig sehen. Es war, als läge Elay hinter einer Wolke brodelnder, körperloser Finsternis; ein schattiges, zerfasertes Etwas, das sich dem direkten Blick entzog und in beständiger unruhiger Bewegung war. Da war etwas, eine unsichtbare, nur zu erahnende Trennlinie zwischen der Welt der Menschen und der Elays, die sie mehr schützte als alle Verbote und Tabus der
Errish.
Es fiel Skar mit jedem Schritt schwerer, sich darauf zu besinnen, warum er überhaupt hergekommen war.
    »Dort entlang«, flüsterte Legis. Ihr Arm deutete irgendwohin in die Dunkelheit. Skar konnte auf der anderen Seite des schmalen, vegetationslosen Streifens, der die eigentliche Mauer wie ein erstarrter Burggraben umgab, nichts erkennen außer Schatten und der vagen Ahnung von Bewegung und Leben; das eine real und das andere eingebildet. Aber Legis schien genau zu wissen, wohin sie wollte.
    Lautlos huschten sie weiter. Legis hatte die Führung übernommen, als sie sich der Stadt bis auf ein paar hundert Schritte genähert hatten, und die Quorrl waren so weit zurückgeblieben, daß Skar ihre Schritte nur noch mit Mühe hören konnte. Es erstaunte ihn noch immer, wie leise und schnell sich diese so plump anmutenden Wesen bewegen konnten, aber er — und wohl auch Legis —hatten in den letzten Stunden mehr über die Schuppenkrieger aus dem Norden gelernt als wahrscheinlich Generationen vor ihnen. Das meiste davon gefiel ihm nicht.
    Skars Blick tastete besorgt über Legis' Gesicht. Es war starr, von jener gezwungenen, maskenhaften Unbewegtheit, hinter der sich ein wahrer Sturm von Gefühlen und Empfindungen zu verbergen pflegte. Skar war sich noch immer nicht darüber im klaren, was wirklich hinter der Stirn der
Errish
vorging. Sie war der schwache Punkt in Morks Plan, und auch der Quorrl mußte das wissen. Legis hatte sich seiner Entscheidung gebeugt, aber sie war nur vor der Gewalt zurückgewichen. Keiner von ihnen konnte sagen, wieviel es ihr bedeutete, einen Quorrl das Heiligtum der
Errish
betreten und damit entweihen zu lassen. Vielleicht würde sie es verhindern, selbst wenn es ihr Leben kosten sollte. Aber weder Mork noch er hatten eine andere Wahl, als sich der
Errish
auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Es gehörte nicht sehr viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wie unmöglich es war, auf einem anderen Weg in die Heilige Stadt einzudringen. Zudem ahnte Vela zumindest, daß er früher oder später hier auftauchen würde — wenn sie es nicht schon wußte, und sie wäre nicht sie selbst gewesen, wenn sie nicht Vorsorge getroffen hätte, jeden Eindringling schon frühzeitig in Empfang zu nehmen. Sie hatten während des Fluges hierher weder Reiter noch ein anderes Anzeichen von Leben entdeckt, und die Mauern waren zu hoch und die Nacht zu dunkel, um erkennen zu können, ob auf den Wehrgängen über ihren Köpfen Wachen patrouillierten oder nicht. Aber die
Errish
hatte andere Möglichkeiten, mit unerwünschten Fremden fertig zu werden.
    Skar schob den Gedanken mit einem lautlosen Seufzer zur Seite und beeilte sich, Legis zu folgen. Ihre Schritte waren schneller geworden, und obwohl sie kaum eine Armlänge vor ihm ging, ließen sie der schwarze Mantel und die Lautlosigkeit ihrer Bewegungen nahezu mit der Nacht verschmelzen. Er würde früh genug Gelegenheit bekommen, sich mit Vela auseinanderzusetzen — wenn es ihnen überhaupt gelang, in die Stadt einzudringen. All die Warnungen und düsteren Geschichten, die um die Verbotene Stadt der
Errish
kreisten, fielen ihm plötzlich mit fast schmerzhafter Wucht wieder ein. Noch niemandem war es gelungen, gegen den Willen der
Errish
diese Stadt zu betreten und lebend wieder zu verlassen.
    Aber schließlich hatte auch noch niemand eine
Errish
als Führerin gehabt, und vielleicht — wahrscheinlich sogar — hatte es noch niemand ernsthaft versucht.
    Skar spürte beinahe so etwas wie Zorn, als ihm klarwurde, daß ihn die Aufgabe bereits zu reizen begann. Trotz allem war es eine Herausforderung, die eines Satai würdig war.
    Aber er durfte nicht so denken. Nicht jetzt; nicht nach allem, was geschehen war. Es war zu schnell gegangen, zu überstürzt.
    Vor kaum zwei Tagen waren sie noch draußen in der Wüste gewesen, hundert oder mehr Meilen entfernt, und

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