Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
verloren hätte. Zwischen den Pfeilern, dünn und im schwachen Licht dieser unterirdischen Welt mehr zu erahnen als wirklich zu erkennen, spannten sich schwarze Fäden, die, Spinnweben gleich, ineinander verflochten waren und Knoten, Netze und Verdickungen bildeten. Manche waren zerrissen und pendelten lose im Zugwind, andere waren zu dicken Klumpen verwachsen wie geschmolzenes Pech, das Fäden zieht.
    »Was ... ist das?« fragte er.
    Legis blieb abermals stehen, sah ungeduldig zurück und runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
    Skar deutete auf das schwarze Gewebe. »Dies. Was ist das? War es schon immer hier?«
    Legis' Blick folgte seinem Fingerzeig. Sie schwieg ein paar Sekunden, schüttelte den Kopf und sah wieder zu ihm hinunter. »Immer nicht«, sagte sie langsam. »Aber als ich das letzte Mal hier unten war, hat es begonnen.« Sie zögerte. »Inzwischen ist es mehr geworden. Viel mehr. Warum fragst du?«
    Skar schüttelte hastig den Kopf. »Aus keinem Grund«, sagte er rasch. »Es war ... reine Neugierde.«
    Auf Legis' Gesicht erschien ein zweifelnder Ausdruck, aber sie schwieg und ging weiter.
    Skar starrte wie gebannt auf das ölig glänzende Gewebe, während sie höher stiegen. Allmählich begann alles einen Sinn zu ergeben. Skar wußte noch nicht, welchen, aber er fühlte, daß er der Lösung des Rätsels jetzt ganz nahe war. Noch wenige Teile, und er hatte das Mosaik zusammen.
    Die Säule verbreiterte sich über ihnen und ging wie das Dach eines gewaltigen steinernen Pilzes in die Höhlendecke über. Legis sah sich im Gehen um, legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete mit der anderen Hand nach oben. Die Treppe endete abrupt vor einer gezackten, roh aus dem Felsen gebrochenen Öffnung. Legis bückte sich, verschwand in der Dunkelheit und hantierte eine Weile an einem metallenen Riegel herum. Dann ertönte ein leises Quietschen. Es war ein Laut, als bewege sich ein rostiges Scharnier in einer uralten Angel. »Komm jetzt«, ertönte ihre Stimme aus der Dunkelheit.
    Skar folgte Legis, blieb aber dicht hinter dem Eingang des Stollens noch einmal stehen und warf einen Blick in die gähnende Tiefe. Sie mußten eine halbe Meile hoch sein, vielleicht noch mehr. Der erstarrte Steinwald war zu einer winzigen Spielzeuglandschaft geworden. Von den Drachen war keine Spur mehr zu sehen. Er versuchte dem Lauf der Treppe mit Blicken zu folgen, aber das Bild verschwamm fast sofort vor seinen Augen, und dafür stieg Übelkeit in ihm auf. Hastig wandte er sich ab und kroch hinter der
Errish
her.
    Der Gang führte etwa zehn Meter geradeaus und endete vor einer niedrigen, metallbeschlagenen Holztür. Er war wirklich aus dem gewachsenen Felsen herausgemeißelt worden, nicht gebrannt oder auf magische Weise entstanden wie die Tunnel in Tuan; eine schier unglaubliche Arbeit.
    Skar richtete sich mit einem erleichterten Seufzen auf, als er die Tür hinter sich hatte. Das graue Irrlicht, das die Höhle erhellte, blieb hinter ihnen zurück, aber durch ein vergittertes Fenster unter der Decke fiel flackernder gelber Schein. Sie waren im Keller des Palastes, und draußen mußte bereits heller Tag herrschen.
    Skar überlegte — sie waren kurz vor Sonnenaufgang in die Höhle eingedrungen, und es mußte, wenn sein Zeitgefühl nicht ebenfalls durcheinandergekommen war, jetzt ungefähr Mittag sein. Keine gute Zeit, um in eine streng bewachte Festung einzudringen. Aber auch eine Zeit, zu der niemand mit einem solchen Vorhaben rechnen würde.
    Er bewegte Arme und Schultern, um seine verspannten Muskeln zu entkrampfen, und sah sich neugierig um. Der Raum war klein; ein asymmetrisches Rechteck von zehn auf fünfzehn Schritten Größe, dessen Decke auf der einen Seite höher als auf der anderen war. Die Winkel, in denen die Wände zusammenstießen, waren nicht klar zu erkennen; es war, als würde Skars Blick von einem unsichtbaren Spiegel abgelenkt und genarrt. Er kannte diese Art von Architektur, aber er hatte gehofft, sie niemals wie-
    dersehen zu müssen.
    »Und jetzt?« fragte er.
    Legis deutete zur Tür. »Dahinter liegen die Vorratskeller«, sagte sie. »Es ist selten jemand hier. Aber weiter oben müssen wir vorsichtig sein.«
    »Was heißt das, weiter oben?« fragte Skar.
    »Die Privatgemächer der Margoi liegen im Westturm«, erklärte Legis.
    »Gibt es Wachen?«
    Legis verneinte. »Niemand muß die Margoi bewachen«, sagte sie tadelnd. Sie zögerte, sah ihn unsicher an und schlang die Finger ineinander. »Du willst wirklich

Weitere Kostenlose Bücher