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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Geruch wie nach verfaultem Fisch und moderndem Tauwerk wehte vom Deck des Seglers herüber, und weiter zur Stadt hin konnte Skar undeutliches Stimmengemurmel hören.
    Sein Blick tastete aufmerksam über den Kai. Dieser war so flach und deckungslos wie dort, wo die SHANTAR angelegt hatte, aber der Segler warf einen mächtigen dreieckigen Schatten auf das Kopfsteinpflaster — und von seinem Rand aus waren es vielleicht noch zehn Schritte bis zur Mauer des ersten Lagerschuppens.
    Zehn Schritte zuviel, dachte Skar düster. Gondered war kein solcher Narr, daß er nicht die einfachsten Sicherheitsvorkehrungen treffen und jeden Quadratfuß Boden zwischen der Kaimauer und der Stadt unter Beobachtung stellen würde.
    Skar huschte zu Andred zurück, duckte sich neben ihn in den Schatten eines Felsens und blies in die Hände. Die Kälte ließ seine Fingerspitzen taub werden und kroch langsam in seine Muskeln. Nein — sie konnten nicht warten, bis die Sonne aufging und Gondered die Sperre aufhob. Der Gedanke kam Skar im Moment beinahe lächerlich banal vor — aber auch eine Lungenentzündung konnte tödlich sein. Alle Männer, die an Banalitäten gestorben waren, zusammengenommen, ergäben wahrscheinlich eine Kette dreimal von hier nach Ikne und zurück.
    »Hör zu«, sagte er. »Ich werde versuchen, einen Weg in die Stadt für uns zu finden; irgendwie. Du wartest hier und rührst dich nicht von der Stelle, ganz gleich, was geschieht — und zwar genau eine Stunde lang. Wenn ich dann nicht zurück bin, oder wenn du siehst, daß ich gefangengenommen oder getötet werde, dann versuche auf eigene Faust in die Stadt zu kommen. Wenn wir getrennt werden, dann treffen wir uns bei deinem Feund Herger. Hast du das verstanden?«
    Andred nickte, aber sein Blick schien direkt durch Skar hindurch ins Leere zu gehen. Skar wollte noch etwas sagen, beließ es aber dann bei einem leichten Achselzucken und huschte zurück zur Kaimauer. Andred war nicht der erste Mann, den er in diesem Zustand sah: Der Schock und die Verletzungen waren zuviel gewesen, hatten seinen Geist aus der Bahn geworfen und ihn in einen Zustand versetzt, der noch nicht Trance, aber auch nicht wirkliches Wachsein war. Skar hatte so etwas oft beobachtet, und er wußte, daß Andred stark genug war, sich zu fangen, wenn er nur genügend Zeit und ausreichende Pflege bekam. Wenigstens konnte er Skar und sich selbst so nicht in Gefahr bringen.
    Skar blieb am Rand des Kais stehen, richtete sich — noch immer in Deckung der letzten Felsen — auf und sah konzentriert zur Stadt hinüber. Die Schiffe waren nicht mehr als wuchtige Schatten, halbwegs mit der Nacht verschmolzen; vielleicht harmlos, vielleicht aber auch voller neugieriger Augen, die nur darauf warteten, daß er sich zeigte. Die SHANTAR brannte noch immer, aber die Flammen hatten bereits den Großteil ihrer Nahrung aufgezehrt und loderten nicht mehr halb so hoch wie noch vor Minuten, und das Wrack begann jetzt Stück für Stück auseinanderzubrechen. Skar sah, wie sich der Hauptmast zur Seite neigte, wie er zitterte, drei, vier Atemzüge lang reglos und in beinahe unmöglicher Schräglage verharrte und seinen Weg dann fortsetzte, auf die gemauerte Kante des Kais krachte, entzweibrach und brennende Trümmer und Funken verstreute. Ein paar der winzigen Gestalten sprangen hastig zur Seite, Stimmen klangen auf und gingen im Bersten des zerbrechenden Holzes unter, und für einen winzigen Moment loderten die Flammen noch einmal mit greller Glut auf; ein letzter, feuriger Todesschrei des sterbenden Schiffes.
    Skar spurtete los.
    Bis zum Schatten des Lastenseglers waren es nicht mehr als fünfzig Schritte; drei, vielleicht vier Sekunden, aber er war am Ende seiner Kräfe, als er ihn erreichte. Er fiel auf die Knie, kroch auf Händen und Füßen weiter und blieb, schwer atmend und mit hämmerndem Herzen, im Zentrum des großen, rechteckigen Bereiches vollkommener Schwärze hocken. Sein Blick glitt zur Stadt hinüber, saugte sich an dem halben Hundert winziger schwarzer Gestalten fest und suchte angstvoll nach einer Reaktion, nach aufgeregten Gesten und dem Blitzen von Waffen.
    Nichts.
Natürlich nicht, du Narr,
dachte er zornig. Er hatte den Augenblick mit Bedacht gewählt und wußte, daß — wer immer den Aufrag gehabt hatte, den Hafen zu beobachten — ganz bestimmt für einen Moment weggesehen haben würde, als der Mast fiel. Aber die Unruhe wich nicht, im Gegenteil, sie wurde schlimmer.
    Vorhin, aus der Deckung der

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