Enwor 4 - Der steinerne Wolf
»Halt endlich den Mund«, sagte er. »Niemand zwingt dich mitzukommen.« Herger lächelte abfällig. »Natürlich nicht. Diese Quorrl-Bandi-ten werden mir ein Pferd und Vorräte geben, wenn ich sie darum bitte, wie? Und ein halbes Dutzend Pfeile. In den Rücken.«
»Es wäre Verschwendung, dich mit einem Pfeil zu bedenken«, sagte Mork trocken. »Ich würde dich an die Daktylen verfüttern.« »Es ist genug, Mork«, mischte sich Laynanya ein. Sie sprach scharf, aber trotzdem meinte Skar, einen amüsierten Unterton in ihrer Stimme zu vernehmen. »Skar hat recht«, fuhr sie zu Herger gewandt fort. »Du bist ein freier Mann. Wenn du es willst, dann bekommst du ein Pferd und genug Lebensmittel für zwei Wochen und kannst gehen, wohin du willst.«
Herger schürzte die Lippen, »Unsinn«, murrte er. »Ich begleite Skar. Und ich nehme an, ein paar von euch auch.«
Laynanya nickte ungerührt. »Natürlich. Oder könnt ihr die Daktylen allein reiten? Außerdem würdet ihr nicht in die Stadt kommen. Elay ist kein Bauerndorf, in das man sich nach Belieben einschleichen kann. Legis und ein paar Männer werden euch begleiten und euch den Weg in die Stadt zeigen. Danach seid ihr auf euch allein gestellt. Das ist alles, was wir euch an Hilfe bieten können. Und es ist schon mehr, als wir eigentlich dürften.«
»Ihr habt eine seltsame Art, euch nicht einzumischen«, antwortete Herger.
»Herger!« sagte Skar warnend. Aber der Hehler ignorierte ihn. »So wie ich die Sache sehe, schickt ihr uns auf dem schnellsten Wege nach Elay und hofft, daß wir dort eure Arbeit verrichten. Gelingt es uns, bis zu Vela vorzudringen, habt ihr den Nutzen davon — wenn nicht, verliert niemand etwas. Außer uns, versteht sich. Wir sind dann tot.«
»Wir sind hier nicht auf dem schwarzen Markt in Anchor, Herger«, sagte Legis verärgert. »Du brauchst nicht zu feilschen. Und es spielt gar keine Rolle, ob du recht hast oder nicht.«
Herger fuhr auf, aber Skars Geduld riß endgültig. Er fuhr herum, packte den Hehler grob bei der Schulter und drückte kurz und hart zu. Hergers Gesicht verzog sich schmerzhaft.
»Es reicht«, sagte Skar. »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, aber es reicht. Du wirst jetzt den Mund halten, oder unsere Wege trennen sich hier.«
»Worauf ich hinauswill?« Herger schüttelte Skars Hand ab und rieb sich die schmerzende Schulter. »Das will ich dir sagen, Skar. Wahrscheinlich hast du die letzten Stunden mit dieser
Errish
verbracht und angenehm geplaudert, aber ich hatte das Vergnügen, mich in Gesellschaft der Quorrl zu befinden. Wenn du glaubst, sie wären unsere Freunde oder auch nur unsere Verbündeten, dann täuschst du dich. Sie hassen uns, und sie hassen die
Errish.
Dieser Mork würde Bauchschmerzen vor Lachen bekommen, wenn sie uns erwischen und am höchsten Turm der Stadt aufhängen würden.«
Skar hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, Herger eine schallende Ohrfeige zu versetzen, aber er beherrschte sich.
»Gut«, erwiderte er, so ruhig er konnte. »Du hast gesagt, was du sagen wolltest. Und jetzt laß uns gehen.« Er wandte sich abermals um und sah Laynanya an. »Wir nehmen dein Angebot an.« »Das habe ich gehofft.«: Laynanya bewegte sich unruhig. »Und nun entschuldigt mich — meine Zeit ist begrenzt. Legis wird euch zu euren Quartieren begleiten und euch alles erklären, was zu erklären nötig ist.« Sie drehte sich halb um, zögerte mitten im Schritt und sah Skar noch einmal an. »Vielleicht sehen wir uns wieder«, sagte sie. »Ganz egal, wie euer Unternehmen ausgeht —ihr seid willkommen bei uns.«
D raußen war es noch hell, aber in der Höhle herrschte noch immer das graue Zwielicht vom vergangenen Abend. Der Vorhang aus Pflanzenfasern sperrte das Tageslicht aus und schuf hier drinnen einen Bereich ewiger Dämmerung, den auch das Licht der unzähligen Pechfackeln nicht nennenswert aufhellen konnte. Der scharfe Raubtiergestank der Dak-
tylen durchdrang die Luft, und ab und zu wehte der krächzende Schrei eines der Flugsaurier wie ein Laut aus einer fremden Welt herüber.
Skar fror. Er trug Stiefel, Lendenschurz und seinen ledernen Harnisch, darüber einen dünnen, schwarzen Mantel, den ihm Legis gegeben hatte. Aber das Kleidungsstück diente wohl eher zur Tarnung als zum Schutz vor der Kälte.
»Wir sind soweit«, sagte Legis.
Skar schrak aus seinen Gedanken hoch und wandte sich mit einer übertrieben hastigen Bewegung zu der
Errish
um. Herger und er waren am Eingang
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