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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nachsehen, ob ich noch nicht zusammenbreche?« Er versuchte, spöttisch zu klingen, aber es mißlang.
    Del schwieg einen Moment und sah ihn ernst an. Er fiel zurück, ging schneller und versuchte sich an den Rhythmus von Skars Schritten zu gewöhnen; aber es schien ihm schwerzufallen. Der Blick, mit dem ihn Skar musterte, gefiel ihm nicht. »Ich mache mir Sorgen um dich«, begann Del ernst.
    Skar lächelte mühsam. »Wenigstens einer«, murmelte er. »Aber keine Angst — ich halte schon noch ein bißchen durch.« Er hob die Hand und wischte sich eine Schneeflocke aus dem Auge. Seine Haut prickelte vor Kälte.
    »Etwas geschieht mit dir«, fuhr Del fort, ohne auf den bissigen Ton seiner Worte zu reagieren. »Etwas, das mir nicht gefällt. Du siehst müde aus.«
    »Ich bin nicht mehr so recht in Form«, erwiderte Skar. »Normalerweise fechte ich in der Woche zwei bis drei Seeschlachten mit irgendwelchen Ungeheuern aus, weißt du? Aber in der letzten Zeit bin ich nicht mehr im Training.« Er lachte, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn Dels Worte erschreckt hatten. Sieht man es mir jetzt schon an? dachte er erschrocken. Steht es in meinem Gesicht geschrieben, daß ich den Kampf verliere? Daß ER immer stärker wird, und ich nicht mehr die Kraft habe, mich zu wehren?
    Wieder schwieg Del eine Weile, als müsse er Skars Worte genau überdenken. Er war ruhiger geworden, seit sie sich wiedergefunden hatten. Ernsthafter. Seltsamerweise hatte es bis jetzt gedauert, bis Skar dies wirklich erkannte. Vielleicht, dachte er müde, war es wirklich so, daß Del einfach erwachsen wurde. Oder er selbst alt...
    »Wenn ich dir helfen kann, Skar«, sagte Del, stockend und beinahe verlegen, »dann...«
    »Ich glaube nicht, daß du mir helfen kannst«, murmelte Skar, ohne Del anzusehen. Lautlos und nur für sich fügte er hinzu:
Niemand kann das, mein Junge. Nicht einmal der Mann, der du einmal warst.
Es war weder der Dronte noch irgendeine der anderen Gefahren in ihrer Umgebung, was an ihm nagte, so sehr an den Kräften seiner Seele zehrte wie der eisige Wind und die Erschöpfung an denen seines Körpers. Er war es selbst, aber es war ein Teil von ihm, vor dem er sich fürchtete. Sein Dunkler Bruder. Seltsam — aber er hatte es noch nie so klar gesehen wie in diesem Augenblick. Und die Erkenntnis war eigentlich erst gekommen, nachdem er diesen Gedanken so bewußt formuliert hatte. Waren es überhaupt
seine
Gedanken? Oder gewann dieses Ding jetzt bereits Gewalt über seine Zunge?
    Del sah ihn nachdenklich an. »Du willst nicht darüber reden«, meinte er. »Gut. Es ist deine Sache. Aber wenn du Hilfe brauchst, dann rufe mich.«
    Skar sah ihn an. Dels Gesicht wirkte so müde wie das der anderen, aber es war noch etwas darin, irgendwo zwischen den tiefen Linien der Erschöpfung. Er schien noch etwas sagen zu wollen, zuckte aber dann nur stumm mit den Achseln und ging ohne ein weiteres Wort.
    Skar sah ihm nach, bis seine Gestalt im Schneetreiben mit den Schatten der anderen verschmolzen war. Er spürte Zorn, aber nur für einen kurzen Augenblick.
    Del konnte nicht wissen, was es war, das er mit sich herumschleppte. Er wußte es ja nicht einmal selbst wirklich. Es war erwacht, als er in den glühenden Sanddünen der Nonakesh um sein Leben gekämpft hatte, aber es war schon lange vorher in ihm gewesen, vielleicht seit seiner Geburt, vielleicht sogar schon
davor.
Es war vielleicht der Grund, aus dem er Satai geworden war, aus dem er — selbst in der Kriegerkaste Enwors — ein herausragender Mann war, vielleicht der stärkste Satai, den es jemals gegeben hatte. Jemand, dem der Mythos der Unbesiegbarkeit vorauseilte. Vielleicht war er nicht einmal ein Mensch, dort unten, tief in seiner Seele, sondern vielleicht war das, was er selbst von sich wußte, nichts als eine Maske, hinter der das Ding jahrzehntelang geduldig gelauert hatte, eine Maske wie die Gowennas, nur ungleich perfekter, und vielleicht...
    ...und vielleicht waren Velas Worte wahr gewesen, und er trug wirklich das Erbe der alten Menschheit in sich, einen Teil einer Welt, die vor Äonen untergegangen war. Aber wenn das zutraf, wenn das, was er spürte, wenn diese finstere, nur aus Haß und Gewalt bestehende Facette seiner selbst wirklich das Erbe der alten Götter sein sollte, ein Schatten der Welt, wie sie einmal gewesen war, dann konnte es nur gut sein, daß sie versunken und vergessen war.
    Er drehte sich herum und sah in die Richtung zurück, aus der sie gekommen

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