Enwor 7 - Das schweigende Netz
mit der das Tier an den Boden gebunden war. Sie war sehr viel stabiler als die, welche er heute morgen im Hof zerrissen hatte, und der eiserne Ring an ihrem Ende schien stark genug, daß er den Hund halten würde, wenn das Tier wirklich versuchte, sich loszureißen. »Niemand ist herein- oder herausgekommen?« fragte er, ohne den Blick von dem Hund zu wenden.
»Nein«, antwortete Del. »Der Posten behauptet es jedenfalls, und ich glaube nicht, daß er lügt. Der Hund wurde sofort hierhergebracht und angekettet.«
»Warum?«
»Es ist so üblich, Herr«, antwortete einer der beiden Satai an Dels Stelle. »Die Hunde werden getötet, wenn sie einmal Menschenblut gekostet haben. Sie sind für den Kampf dann nicht mehr zu gebrauchen.« »Aber als er hierherkam, fand er ihn
so«,
fügte Del hinzu. »Er behauptet, die Tür wäre die ganze Zeit über verschlossen gewesen. Und es gibt keinen zweiten Eingang. Nicht einmal ein Fenster.«
»Aber wie ist das möglich?« verwunderte Skar sich. »Wie ist es hier hereingekommen?«
Niemand antwortete. Skar bewegte sich vorsichtig ein Stück näher an den Hund heran und versuchte, mehr zu erkennen. Es
war
das Netz, das Ding, das Kiina den
Wächter
genannt hatte, und wie bei Bradburn war es hier und da in den Körper des Tieres eingedrungen. Eine dunkle Lache hatte sich unter dem After des Tieres gebildet, und hier und da glitzerte ein einzelner Blutstropfen in seinem Fell. Als Skar die Hand hob und vorsichtig nach dem Hund ausstreckte, begann er leise zu winseln. Der Ausdruck von Schmerz in seinen Augen vertiefte sich.
»Sei vorsichtig!« warnte Del erschrocken. »Rühr ihn nicht an.« »Natürlich nicht«, gab Skar ungehalten zurück. Er führte die Hand über den Augen des Hundes hin und her. Der Blick der dunklen Tieraugen folgte seiner Bewegung, aber der Hund rührte sich nicht. Skar war fast sicher, daß er es nicht konnte.
»Wie lange seid ihr schon hier?« fragte er.
»Vielleicht eine Stunde.«
»Und es hat sich nicht verändert, seither?«
»Nein«, antwortete Del. »Worauf wartest du — daß es wächst?«
Skar zuckte mit den Schultern, stand auf und löste eine der Fackeln aus ihrer Halterung. Sorgsam untersuchte er in ihrem flackernden Licht den steinernen Boden rings um den Hund.
»Das haben wir auch schon getan«, erklärte Del. »Es ist nicht aus dem Boden gekrochen.«
Was ist das, in seiner Stimme ?
dachte Skar.
Spott
—
oder Angst ?
»Aber irgendwoher
muß
es gekommen sein«, warf Kiina ein.
Ja,
dachte Skar.
Und ich weiß sogar, woher.
Aber er sagte es nicht laut. Die Vorstellung war so absurd, so bizarr und undenkbar, daß er sich den Atem sparte, sie auch nur auszusprechen.
Er legte die Fackel aus der Hand und bückte sich wieder zu dem Hund hinab. Einen Moment lang schloß er die Augen und lauschte in sich hinein, hob dann den Kopf und sah sich um. Es war da. Die schwarzen Wände aus gebrochenem Fels atmeten es aus, es kroch aus dem Boden und der Decke, war schon in ihnen
- dasselbe, finster-dräuende Gefühl, das er am Morgen in der ausgebrannten Kammer des Predigers gespürt hatte, den Pesthauch dieser Festung.
Er stand auf. »Tötet den Hund«, befahl er den Wächtern.
»Nicht so schnell!« widersprach Del. »Wir —«
Skar ignorierte ihn. Unbeirrt fuhr er fort: »Sofort. Und dann verbrennt ihn!« Er sparte sich die Warnung, das Tier nicht anzufassen. Ein einziger Blick in die von Furcht verdunkelten Augen der beiden Satai überzeugte ihn davon, daß sie sich eher die Hände würden abhacken lassen, als dieses Tier zu
berühren.
»Und kein Wort von dem, was ihr hier gesehen habt — zu niemandem! Ist das klar? Ihr kommt zu mir, sobald ihr hier alles verbrannt habt!«
»Wie Ihr befehlt, Herr.«
Del wollte abermals protestieren, aber Skar ergriff ihn einfach beim Arm und zog ihn mit sich aus dem Raum. Erst als sie das Gebäude verlassen hatten und rasch nebeneinander über den Hof gingen, ließ er Del wieder los.
»Sind die Männer vertrauenswürdig?« fragte er.
»Wie alle hier — ja«, antwortete Del irritiert. »Warum?«
»Weil ich keine Panik will, im letzten Moment«, antwortete Skar. »Wir müssen hier raus, Del. Wir alle. Sofort!«
Del blieb stehen. Sie hatten den Hof halb überquert, befanden sich aber noch in Hörweite einiger Quorrl, und Del wußte so gut wie er, daß die meisten der Schuppenkrieger zumindest genug von ihrer Sprache verstanden, um den Sinn seiner Worte zu begreifen. Trotzdem schrie er fast: »Bist du
Weitere Kostenlose Bücher