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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kaum einer Stunde zurück in der Festung, und schon begann er, ihrem üblen Einfluß erneut zu erliegen. Mit aller Macht zwang er sich, wenigstens einigermaßen beherrscht weiterzusprechen. »Ich werde Titch begleiten«, fuhr er fort. »Ich glaube, daß euer Weg falsch ist. Ich werde tun, was ich von Anfang an hätte tun sollen.«
    »Und das wäre?« fragte Del lauernd.
    »Das, was Drask mir geraten hat. Er hatte recht, Del — dieser Krieg ist nicht mit der Waffe zu gewinnen. Ich werde die
Sternen-geborenen
suchen und mit ihnen reden.«
    »Oh, mehr nicht?« fragte Del spöttisch. »Du willst die Welt wieder einmal ganz allein retten, wie? Skar, der Mann, der mit den Göttern spricht.«
    »Vielleicht sind sie es ja gar nicht«, warf Kiina ein.
    Del ignorierte sie. Er starrte Skar sekundenlang fast haßerfüllt an, dann seufzte er, schüttelte den Kopf und streckte die Hand aus. »Gib mir dein Schwert.«
    Skar blinzelte verwirrt. »Mein ...
Schwert ?«
    »Das Zeichen des Hohen Satai, ja«, antwortete Del hart. »Du selbst hast mir deinen Mantel vor die Füße geworfen, erinnerst du dich? Jetzt gib mir das Schwert zurück, das dazu gehört. Ich habe dich zum Hohen Satai gemacht, ich kann dir dieses Amt auch wieder nehmen.«
    Skar legte die Hand auf den Schwertgriff, aber er tat es in einer Bewegung, die ganz eindeutig
nicht
dazu diente, Del die Waffe auszuhändigen. »Warum nimmst du es dir nicht?« fragte er.
    Del lächelte, als hätte er ganz genau diese Reaktion erwartet. »Nein«, entgegnete er. »Ich werde dir nicht den Gefallen tun, mit dir zu kämpfen, alter Freund.« Er klatschte in die Hände und trat gleichzeitig zur Seite. In der Tür hinter ihm erschienen zwei Satai-Krieger. In ihren Händen lagen gespannte Armbrüste. Skar keuchte. »Das ... das wagst du nicht«, stieß er hervor.
    »Du läßt mich nicht töten!«
    »Natürlich nicht«, antwortete Del. Er deutete auf Kiina. »Aber ich lasse
sie
töten, wenn du auch nur eine verdächtige Bewegung machst, Skar.«
    »Del, du —«
    »Ich lasse nicht zu, daß du noch mehr Schaden anrichtest«, unterbrach ihn Del. »Dein Schwert!«
    Skar starrte ihn fassungslos an. Er weigerte sich einfach zu glauben, was er sah und hörte. »Del!« rief er beschwörend. »Was geschieht mit dir? Du —« Seine Stimme versagte. Er wußte, daß es sinnlos war weiterzusprechen. Zögernd, sehr vorsichtig, um Kiina nicht zu gefährden, zog er das rubingeschmückte
Tschekal
aus der Scheide, drehte es herum und reichte es Del.
    »Und jetzt?« fragte er. »Läßt du uns in Ketten legen?«
    »Ihr dürft euch frei in diesem Turm bewegen«, gab ihm Del zur Antwort. »Aber ich verbiete euch, ihn zu verlassen oder mit irgend jemandem zu reden.«
    »Und wie lange willst du uns hier festhalten?«
    »So lange es nötig ist«, antwortete Del. »Ich stimme in einigen Punkten mit dir überein. Auch ich will hier weg, so schnell es geht. Das Heer wird sich ausruhen, einen Tag, zwei, allerhöch-stens drei. Sobald wir weiterziehen, bist du frei. Meinetwegen kannst du dann zum Ende der Welt reisen und einen Gott suchen, mit dem du
reden
kannst, du Narr!«

M it dem Abend war die Kälte zurückgekommen. Skar und Kiina waren hinaufgegangen auf die Plattform des Turmes, hundert oder mehr Manneslängen über der Burg und die dreifache Höhe über dem Fluß, und sie waren in stummem Einvernehmen den ganzen Tag über dortgeblieben. Die Vorstellung, hier oben irgendwie in Sicherheit zu sein, war natürlich nur eine Illusion, aber Skar fühlte sich trotzdem erleichtert. Nachdem Del gegangen war, hatte er angefangen, sich wie lebendig eingemauert zu fühlen. Die Wände hatten ihm den Atem genommen, und wenn er zurücksah zu der Tür, die auf die Plattform hinausführte, hatte er das Empfinden, direkt in ein aufgerissenes steinernes Maul zu blicken. Vielleicht war der Vergleich nicht einmal so falsch, dachte er. Irgendwie war diese Burg viel mehr als ein gemauertes Gebäude. Sie war ein gewaltiges, steinernes Ungeheuer, das sie alle längst verschlungen hatte und ihnen nur noch vorgaukelte, am Leben und frei zu sein, während sie sich in Wahrheit nur noch in seinen Eingeweiden bewegten und aufs Verdautwerden warteten; gefressen waren sie schon.
    Unruhig überquerte er zum —zigsten Male an diesem Abend den Turm und blickte auf die Ebene auf der anderen Seite der Burg hinab. Die hereinbrechende Dämmerung hatte sich über das Satai-Heer gelegt; jenseits des Flusses erstreckte sich nur noch Schwärze, in

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