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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Unten im Hof brannten die Flammen jetzt schon nicht mehr so hoch, der Rauch begann auseinanderzutreiben, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Quorrl zu ihrem nächsten — und vermutlich letzten —Sturm ansetzten. Ihm fiel auf, wie still es war. Mit Ausnahme Dels und ihm selbst gab es hier oben keinen, der an der Verteidigung der ersten Mauer teilgehabt hatte — Skar hatte selbst die unverletzt gebliebenen Männer zurückgeschickt und gegen frische Kräfte ausgetauscht, aber auch sie wirkten müde und trotz der ermunternden Worte, die sie sich manchmal zuwarfen, niedergeschlagen und voller Furcht. Er erinnerte sich daran, daß diese Männer nicht halb so ausgeruht waren, wie es schien — sie hatten einen Gewaltmarsch durch die Nacht, die Überquerung des noch halb vereisten Flusses und den Alptraum des Durchbruches durch Titchs Heer hinter sich, und die wenigen Stunden Ruhepause, welche die Quorrl ihnen gewährt hatten, waren kaum ausreichend, sie frische Kräfte schöpfen zu lassen. Aber das war nicht alles. Eine Veränderung war mit diesen Kriegern vor sich gegangen, etwas, das er weder mit Worten noch mit Gedanken beschreiben konnte, aber überdeutlich spürte. Auf eine schwer zu fassende Art wirkten sie plötzlich alle gleich, äußerlich verschieden, aber alle von ... etwas beseelt, erfüllt von einem Geist, der nicht der des Kampfes war. Es war überall der gleiche Blick, dem er in ihren Augen begegnete: voller Angst, aber auch irgendwie entschlossen, erfüllt von einer Härte, die ihn schaudern ließ.
    Er schüttelte den Gedanken ab. Vielleicht war es Einbildung. Vielleicht projezierte er nur seine eigene Angst und Verbitterung in diese Männer. Vielleicht war es auch nur der böse Atem dieser Festung den er spürte. Es spielte keine Rolle mehr.
Wenn
diese Festung wirklich so etwas wie einen bösen Geist hatte, dann hätte er längst gesiegt.
    »Weißt du, welcher Gedanke mich am meisten quält?« fragte Del neben ihm. Skar zuckte mit den Schultern, blickte ihn fragend an.
    »Die Vorstellung, daß wir hier vielleicht das Schicksal einer ganzen Welt entscheiden«, fuhr Del fort. Er schüttelte den Kopf, seufzte. »Eine Schlacht zwischen zwei verbündeten Heeren —geschlagen in diesem
Grab.«
Er seufzte wieder, verbarg für einen Moment das Gesicht zwischen den Händen und atmete so tief ein, daß es sich beinahe schon wie ein Keuchen anhörte.
    »Wir hätten Titchs Angebot annehmen und ihm auf offener Ebene gegenübertreten sollen«, sagte er.
    »So?« fragte Skar. »Glaubst du, wir hätten eine Chance gehabt?«
    Del machte eine fahrige, ausweichende Bewegung. »Nein«, gestand er, lächelte bitter und deutete auf das Labyrinth aus schwarzen Türmen und Höfen herab, das sich unter ihnen erstreckte. »Aber ich wäre lieber unter freiem Himmel gestorben als im Inneren dieses Ungeheuers.«
    Und irgendwo in diesen Worten lag die Lösung verborgen. Plötzlich wußte Skar, woher diese quälende Unruhe kam, die Angst, die so sonderbar neu und gleichzeitig vertraut gewesen war; was es war, das er in den Augen der Männer zu sehen geglaubt hatte. Er starrte Del an, wollte etwas sagen, aber er bekam keinen Laut heraus. Alles war falsch, dachte er. Sie waren getäuscht worden, gründlicher, als er bisher auch nur geahnt hatte. Nicht die Quorrl waren die wirkliche Gefahr — es war immer noch diese Festung, die ihrer aller Denken und Handeln vergiftete. Sie war es immer gewesen, und sie hatten die Beweise dafür sogar in der Hand gehabt. Er hatte die Wahrheit sogar
ausgesprochen,
wortwörtlich und Del gegenüber, in einer ihrer zahllosen Auseinandersetzungen, aber sie hatten sie einfach nicht erkannt; genauer, etwas hatte sie sie nicht erkennen
lassen.
    Bis zu diesem Moment.
    »Was hast du?« fragte Del, dem das Erschrecken auf Skars Gesicht nicht entgangen war. Er versuchte zu lächeln, aber es mißlang. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen«, bemerkte er.
    »Das habe ich auch« antwortete Skar. Plötzlich fuhr er hoch und packte Del so überraschend bei den Schultern, daß er fast aus dem Gleichgewicht geriet. »Großer Gott, Del, wir dürfen nicht weiterkämpfen!« schrie er. »Hörst du? Wir müssen aufhören!«
    Del streifte seine Hände ohne sichtliche Anstrengung ab und schüttelte verwirrt den Kopf. »Was?«
    »Begreifst du denn nicht?« fuhr Skar beinahe verzweifelt fort.
    »Es ist diese Festung! Das Netz ist hier! Es ist immer hiergewesen! Und es wird stärker, je mehr wir

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