Enwor 7 - Das schweigende Netz
wird, Skar«, antwortete Kiina. Ihre Stimme schwankte, und ihre Art zu sprechen wurde immer schleppender, als sie nach Worten für Dinge suchte, die mit Worten nicht zu beschreiben waren. »Die
Errish
und ihre Drachen haben sie geschlagen, wo immer sie auf sie stießen, aber es ... es war, als würden sie mit jeder Niederlage stärker. Zahllose von ihnen fanden den Tod, aber sie kamen immer wieder.«
...als würden sie mit jeder Niederlage stärker.
Skar schauderte. War es wirklich Zufall, daß sich Kiinas Worte so sehr nach dem anhörten, was auch Drask bei ihrem letzten Gespräch gesagt hatte:
Gib acht, daß ihr euch nicht totsiegt, Satai.
»Und dann?« fragte Del ungeduldig, als Kiina abermals in dumpfes Schweigen verfiel.
»Etwas ... geschah«, fuhr Kiina stockend fort. »Ich weiß nicht, was. Niemand wußte es. Die... die Angriffe hörten auf, aber plötzlich war alles anders geworden. Ein paar
Errish
verloren den Kontakt zu ihren Drachen. Andere... wurden von ihren eigenen Tieren angegriffen und getötet, und einige ... brachten sich gegenseitig um.«
Del runzelte ungläubig die Stirn, und auch Skar fiel es schwer, diesen Teil von Kiinas Bericht zu glauben.
Errish,
die sich gegenseitig töteten?
Unvorstellbar!
So unvorstellbar wie Satai, die plündernd und brandschatzend durch das Land ziehen, nicht wahr?
wisperte eine Stimme hinter seiner Stirn.
»Es war entsetzlich«, berichtete Kiina weiter. »Elay ist... nicht mehr das, was es einmal war. Haß und Mißtrauen waren alles, was die
Errish
noch füreinander empfanden. Es kam zu Kämpfen unter ihnen. Manche versuchten zu fliehen, aber die anderen hielten sie zurück oder töteten sie. Vor einem Jahr schließlich rief die neue
Margoi
alle
Errish
zurück zu einer großen Beratung nach Elay. Als sie vorüber war, da... da hatten sie sich verändert.«
»Verändert? Wie?«
Kiina sah Skar aus Augen an, die groß und dunkel vor Angst geworden waren. »Ihr habt sie gesehen, Skar. Diese... diese Frauen, die mich verfolgt haben. Das waren
Errish.
Das, was aus ihnen geworden ist, nach diesem entsetzlichen Tag.«
»Aber was ist geschehen?« fragte Del verwirrt. »Dieses... dieses Ding, das an ihnen haftet —«
»Der Wächter.«
»Nennen sie es so?« fragte Skar. »Dieses Netz?«
»Sie hatten es alle, nachdem sie Elay wieder verließen«, sagte Kiina. »Und nicht nur sie. Es war plötzlich da, und es ... breitete sich aus. Es wuchs, und es wächst noch immer. Niemand kann sich dagegen schützen.«
»Niemand?« Dels Augen verengten sich mißtrauisch. »Du schon. Und dein Drache auch, oder?«
»Nein«, antwortete Kiina. »Es wollte mich nicht.« Sie verzog die Lippen zu einem schmerzlichen Lächeln. »Ich war nicht wichtig genug. Es ist gigantisch, Satai. Es... es hat Elay überwuchert wie ein Geschwür und... und Tausende verschlungen.
Aber nicht alle. Ich habe in der Burg gearbeitet, als Dienstmagd und in den Ställen, und später als Zofe der neuen
Margoi.
Ich habe vieles erfahren, und vieles gesehen. Nicht alle sind mit dem Netz verbunden. Nur die Mächtigen und die Krieger. Es tötet seine Träger, manche in Tagen, andere in Monaten oder Jahren, aber es tötet sie. Vielleicht frißt es sie innerlich auf — ich weiß es nicht. Aber es ist wählerisch. Es beherrscht uns, aber es braucht uns auch.«
»Das ist eine ziemlich phantastische Geschichte, findest du nicht?« äußerte Del zweifelnd. Er hob die Hand und machte eine herrische Bewegung, als Kiina auffahren wollte. »Ich habe dieses Ding gesehen, und ich glaube dir, aber... es fällt mir nicht leicht. Wieso hat niemand etwas davon erfahren, wenn das alles wirklich so passiert ist?«
»Ihr hattet genug damit zu tun, Krieg zu führen, oder?« fragte Kiina böse. »Und sie haben die Grenzen hermetisch abgeriegelt.« »Das ist vollkommen unmöglich«, widersprach Del. »Niemand kann —«
»Niemand, aber
etwas«,
fiel ihm Kiina ins Wort. »Das Drachenland ist eine natürliche Festung, Satai. Es gibt nur ein halbes Dutzend Pässe über die Berge, die nicht schwer zu bewachen sind. Sie haben zahllose eurer Männer abgefangen und getötet, die versuchten, ins Land zu kommen. Ist einer davon zurückgekehrt?«
Del antwortete nicht, aber sein Mißtrauen war keineswegs besänftigt. Er suchte nur weiter nach irgendeinem Fehler in Kiinas Geschichte, einem Widerspruch, wo er einhaken und sie als die Lüge darstellen konnte, als die er sie gerne sehen würde. »Aber das ergibt keinen Sinn«, erklärte er
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