Enwor 7 - Das schweigende Netz
sie.
»Du weißt davon?« Del klang eher erschüttert als erschrocken. »Die anderen wissen davon« antwortete Kiina triumphierend.
Sie war noch jung genug, um den Moment in all seiner Dramatik auszukosten, und Skar sah, wie sich Dels Stirn abermals umwölkte. Geduld hatte noch nie zu seinen Stärken gehört.
»Was soll das heißen?« fragte er scharf. »Von wem sprichst du?« »Du hast sie doch gesehen, Satai«, gab Kiina zur Antwort.
»Die, welche mich verfolgt haben. Diese Burg hier —« Sie machte eine weit ausholende Geste und schloß in der gleichen Bewegung die silberne Spange, die ihr Kleid über der Schulter hielt. »- ist eine einzige Falle. Sie wurde nur zu dem Zweck erbaut, euch hierherzulocken. Und ihr seid ja auch gekommen, oder?«
»Zum Teufel, was soll das heißen?« brauste Del auf. »Wer wollte uns hierherlocken, und warum? Und woher willst du das alles wissen?!« Skar machte eine warnende Handbewegung, aber Del ignorierte ihn einfach, trat mit einem wütenden Schritt auf Kiina zu und riß sie an der Schulter herum. Das Mädchen stieß einen erschrockenen kleinen Schrei aus und versuchte sich loszureißen, aber Dels Griff war viel zu fest. »Sprich endlich!«
»Laß sie los«,
gebot Skar scharf.
Er hatte selbst nicht damit gerechnet, aber Del gehorchte tatsächlich — allerdings nur, um gleich darauf einen weiteren, drohenden Schritt auf Kiina zuzumachen und sie abermals anzufahren: »Also — was soll das bedeuten?«
Kiina warf Skar einen beistandheischenden Blick zu, aber er reagierte nicht. Er mißbilligte die Art, auf die Del mit ihr sprach, aber er verstand ihn. Für Kiina schien dies alles hier nichts als ein einziges großes Spiel zu sein, ein Spiel, bei dem der Einsatz durchaus ihr Leben sein konnte, aber trotzdem ein Spiel. Es wurde Zeit, daß ihr jemand klarmachte, was es wirklich war.
»Es ... es ist so, wie ich gesagt habe«, antwortete sie, als sie begriff, daß Skar ihr nicht helfen würde. »Es ist eine Falle, für euch und das Heer. Sie wollen euch alle zusammen vernichten, und alle auf einmal.«
»Wer?« wollte Del erfahren. »Und wie?«
»Wie, weiß ich nicht«, erwiderte Kiina, jetzt nicht mehr aggressiv, sondern nur noch trotzig. »Und wer, weißt du so gut wie ich, Satai. Die Zauberpriester.«
»Drasks Brüder?« Del lachte abfällig. »Du bist verrückt, Kindchen. Sie haben es versucht, aber sie haben uns nicht einmal daran hindern können, ihnen ihre famose Burg wegzunehmen. Und wir waren kaum halb so viele, wie wir sein werden, wenn das Eis aufbricht und wir losmarschieren. Was sollten sie uns tun?«
»Dasselbe, was sie uns angetan haben, Satai«, antwortete Kiina leise, und ganz plötzlich, von einem Atemzug auf den anderen, fiel jede Kindlichkeit und jeder Trotz von ihr ab. Der Ernst, den Skar plötzlich in ihrer Stimme hörte, war nicht mehr gespielt.
Er stand auf, trat an Dels Seite und legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, ehe er wieder auffahren und Kiina vollends einschüchtern konnte. Er hatte Bradburns Worte nicht vergessen. Das Mädchen hatte eine womöglich wochenlange Flucht und endlose Leiden hinter sich. Wenn sie ihr zu sehr zusetzten, konnte es gut sein, daß sie einfach zusammenbrach und sie gar nichts mehr von ihr erführen.
»Was ist passiert?« fragte er.
Der Ausdruck von Schmerz auf Kiinas Gesicht wurde stärker.
Ihre Mundwinkel zuckten, als hielte sie nur noch mit Mühe ihre Beherrschung aufrecht. Aber sie weinte nicht. »Dasselbe wie hier«, berichtete sie leise. »Die Zauberpriester. Sie ... sie kamen vor drei Jahren, kurz, nachdem meine Mutter gestorben war.
Die
Errish
—« Skar fiel abermals auf, daß sie
die Errish
sagte, und nicht
wir —
»wußten, was in Ikne und den anderen Städten geschehen war, und sie waren vorbereitet. Sie haben sie erwartet und besiegt.«
»Einfach so?« fragte Del.
Kiina schüttelte zornig den Kopf. »Nicht
einfach so«,
antwortete sie trotzig. »Der Kampf dauerte lange, und sie waren sehr viele. Aber am Ende wurden sie geschlagen und vertrieben. Sie kamen wieder, und sie wurden wieder geschlagen.« Sie sprach nicht weiter, und abermals änderte sich etwas in ihrem Blick.
Ihre Augen schienen eine Spur dunkler und größer zu werden, und obwohl sie Skar direkt anblickte, hatte er das sichere Gefühl, daß sie ihn in Wahrheit gar nicht sah. Was sie erzählte, das weckte die Erinnerungen, und mit ihnen kam der Schmerz.
»Und?« drängte er. »Was geschah weiter?«
»Das, was euch passieren
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