Enwor 7 - Das schweigende Netz
wegwerfende Handbewegung. Er wandte sich um und begann, die Treppe wieder hinaufzugehen, und Skar folgte ihm. Zwei Satai, die ihnen entgegenkamen, wichen im letzten Moment respektvoll zur Seite, als sie erkannten, werden Quorrl begleitete. Skar fragte sich unwillkürlich, ob sie es auch getan hätten, wenn Titch allein gewesen wäre. Er wußte, daß Titch so etwas wie der Befehlshaber des Quorrl-Heeres war, in seinem Rang durchaus Del und ihm vergleichbar. Trotzdem war er für die meisten dieser sogenannten Satai noch immer nicht mehr als ein Tier.
»Ich meine nicht den Krieg«, knüpfte Titch an das unterbrochene Gespräch an, als sie das Gebäude verlassen hatten und wieder auf den Hof hinaustraten. Gegen das ungewohnt grelle Sonnenlicht kam er Skar plötzlich noch gigantischer und massiger vor, als er ohnehin war. Er fühlte sich wie ein Zwerg neben dem schuppigen Titanen. »Er ist nötig«, fuhr Titch fort. »Er gehört zum Leben wie die Geburt und die Liebe und der Tod.
Aber etwas... ist plötzlich falsch.«
Er sah Skar aus seinen schmalen Fischaugen an, und zum allerersten Mal, solange Skar die Quorrl kannte, glaubte er so etwas wie Furcht im Blick eines dieser gigantischen Wesen zu sehen. »Ich weiß nicht, was es ist, Satai«, führte er weiter aus. »Aber es macht mir Angst. Es macht uns allen Angst. Und ihr tätet auch gut daran, Angst zu haben. Vielleicht noch mehr als wir.«
Skar war nicht einmal überrascht. Ein Quorrl, der Angst hatte, das wäre noch vor Tagen eine ungefähr so logische Vorstellung wie ein ertrinkender Fisch für ihn gewesen. Aber er spürte es ja auch, ebenso wie Kiina und Bradburn, und wie auch Del, auch wenn dieser es nicht zugab. Etwas änderte sich. Etwas Schreckliches geschah.
Aber er ging nicht weiter auf Titchs Worte ein, sondern drehte sich wortlos weg und verließ endgültig die Festung.
E r wußte, daß Del und er wieder in Streit geraten würden, sobald er zurück war. Und vielleicht sogar mit Recht — er war nicht irgendwer, sondern einer der beiden Befehlshaber des Heeres, und vielleicht — auch wenn er es nicht wollte — der einzige, der diesen ganzen bunt zusammengewürfelten Haufen zu so etwas wie einer Armee vereinen konnte. Auf jeden Fall war er niemand, der einfach weglaufen konnte, wenn es ihm in den Kram paßte.
Aber das war ihm egal. Sein Entschluß, Del und das Heer zu verlassen, stand jetzt fester denn je; nur hatte er sich noch nicht entschieden, in welche Richtung er sich wenden sollte — nach Süden, in das namenlose Land jenseits der Straße von Pa'an, aus dem die Zauberpriester gekommen waren, wie Drask gesagt hatte, oder nach Westen, nach Elay und dem Drachenland, wie Kiina von ihm erwartete.
Es war nicht etwa so, daß Kiinas naiver Wunsch allein der Grund dazu gewesen wäre. Sie war ein Kind, ein dummes, romantisches Kind, und es fiel ihm nicht schwer, in Gedanken nachzuvollziehen, was in ihr vorgegangen war. Sie hatte mitansehen müssen, wie ihre Welt zugrundeging, wie alle, die sie gekannt und geliebt hatte, entweder getötet wurden oder sich auf entsetzliche Weise verwandelten — was lag da näher, als daß sie zu den einzigen ging, von denen sie sich Hilfe erwartete?
Skars Pferd schüttelte unruhig den Kopf, und die Bewegung riß ihn in die Wirklichkeit zurück; er spürte plötzlich, wie kalt es noch immer war, trotz der Sonne, die jetzt schon sehr warm vom Himmel schien und sich bemühte, auch den letzten Schnee zu schmelzen. Aber er stand unmittelbar am Fluß, sicherlich nicht durch Zufall unweit der Stelle, zu der er vor Monatsfrist das erste Mal gekommen war. Vom Wasser stieg ein eisiger Hauch empor, und dort, wo die Strahlen der Sonne nicht hinreichten, nistete noch immer Eis in den Schatten. Außerdem wurde er sich fast schmerzlich der Tatsache bewußt, daß man ihn von der Burg aus deutlich sehen konnte, und aus irgendeinem völlig widersinnigen Grund war ihm der Gedanke unangenehm, daß die Männer ihn beobachten konnten, wie er so am Flußufer stand und ins Leere starrte.
Fröstelnd zog er den Mantel enger um die Schultern, ohne daß er dem Wind dadurch auch nur ein wenig von seinem Biß nehmen konnte — der schwarze Mantel eines Hohen Satai war vielleicht sehr schwer, dachte er spöttisch, aber er wärmte kein bißchen —, ließ sein Pferd mit sanftem Schenkeldruck antraben und ritt ein Stückweit am Ufer entlang, ehe er im rechten Winkel davon abwich und sich einen Weg durch das Gewirr von Felsblök-ken und
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