Enwor 7 - Das schweigende Netz
rannte aus dem Zimmer.
Del sah ihr kopfschüttelnd nach. Dann wandte er sich an Skar: »Warum bist du so hart zu ihr?«
»Bin ich das?« fragte Skar, gab Del aber keine Zeit zu antworten, sondern machte nur eine rasche, ärgerliche Handbewegung. »Ich habe keine Lust, über störrische Kinder zu sprechen«, fuhr er fort. »Hat Bradburn etwas herausgefunden?«:
»Über die Flasche?« Del schüttelte überrascht den Kopf. »Wie könnte er. Es ist gerade eine Stunde her, daß du sie gebracht hast. Ich glaube, er hat Angst, sie zu öffnen.« Er zögerte einen Moment. »Aber ich habe nachgedacht, Skar«, sprach er dann weiter, in merklich verändertem Tonfall.
»So?«
Del nickte. »Mir geht dieses ...« Er suchte nach Worten und hob schließlich nur die Schultern. »... dieses Netz nicht aus dem Kopf, Skar. Dieses
Ding,
das die
Errish
und ihre Drachen beherrscht.
»Du hast es schon einmal gesehen«, erinnerte ihn Skar.
Del blickte ihn überrascht an.
»Mir geht es ebenso«, sagte Skar erklärend. »Es ist nicht das erste Mal, daß ich so etwas sehe ... Aber ich weiß nicht mehr, wann und wo.«
Del ballte die rechte Hand zur Faust. »Wir müssen es herausfinden, Skar. Wenn wir jetzt auch noch die
Errish
gegen uns haben...« Er sprach absichtlich nicht weiter, sondern blickte Skar an, als erwarte er eine ganz bestimmte Reaktion von ihm, aber Skar zuckte nur mit den Schultern.
»Du hast gehört, was Kiina behauptet hat. Sie haben ihre Drachen verloren. Und es tötet seine Träger. Ich glaube nicht, daß wir Angst davor haben müssen, morgen früh aufzuwachen und eine Armee von kriegerischen
Errish
vor dem Tor zu sehen. Aber wie dürfen dieses Netz nicht unterschätzen. Du weißt, daß es Quorrl tötet?«
Del wirkte überrascht, aber es dauerte einen Moment, bis Skar begriff, daß es weniger Überraschung über seine Worte war, sondern darüber, daß er es
wußte.
»Wer hat dir das gesagt?« fragte er scharf.
»Niemand«, antwortete Skar. »Aber, um mit deinen eigenen Worten zu sprechen: Ich werde vielleicht langsam alt, aber noch nicht senil. Alle Quorrl, die heute morgen dabei waren, sind tot oder sterben.« Er lächelte humorlos. »Gibt es sonst noch etwas, was ich
nicht
weiß?«
Del tat so, als überhöre er den letzten Satz. »Es bedeutet noch lange nicht, daß es das Netz war«, antwortete er. »Vielleicht waren die Drachen krank, oder ihr Fleisch vergiftet.« Er lächelte dünn, als er Skars Überraschung bemerkte. »Die Quorrl haben den toten Drachen geschlachtet und das Fleisch gegessen«, sagte er. »Wußtest du das nicht?«
Nein, das hatte er nicht gewußt. Aber irgendwie spürte er, daß es nicht so einfach war. Und er sprach diesen Gedanken laut aus: »Nein«, entgegnete er. »So einfach ist es nicht. Du weißt, daß das nicht stimmt.«
Del seufzte, bedeckte für einen Moment das Gesicht mit beiden Händen und seufzte noch einmal. Er wirkte sehr müde.
»Du hast ja recht«, gab er zu. »Aber was glaubst du, soll ich tun? Die Quorrl zurückschicken?« Er lachte ganz leise und bitter. »Sie sind das Rückgrat unseres Heeres, Skar. Ohne sie wären wir nie so weit gekommen. Männer wie Drask und seine Brüder würden Enwor heute beherrschen, ohne die Quorrl. Wir würden diesen Krieg verlieren, ohne sie.«
»Vielleicht sollten wir das auch«, murmelte Skar.
Del sah ihn verstört an, erwiderte aber zu Skars Überraschung nichts darauf, sondern goß sich schweigend einen Becher Wein ein. Skar schüttelte den Kopf, als Del den Becher fragend in seine Richtung schwenkte.
Eine sonderbar unbehagliche Ruhe begann sich zwischen ihnen auszubreiten. Es hätte so viel zu bereden gegeben, so viele tausend Dinge, über die sie sprechen
mußten,
aber Del schien ebenso wie er zu spüren, wie sinnlos es gewesen wäre. Zwischen ihnen stand etwas, das tiefer war als die Kluft, die zwanzig verlorene Jahre aufgerissen hatten, und das mit Worten nicht zu überwinden war.
Del trank schweigend und sehr langsam und blickte ihn dabei über den Rand seines Bechers hinweg unentwegt an, und nach einer Weile trat Skar an ihm vorbei ans Fenster und sah auf den Innenhof herab, nicht weil ihn irgend etwas von dem interessierte, was es dort unten zu sehen gegeben hätte, sondern einzig, um Dels Blick auszuweichen.
»Was denkst du?« fragte Del nach einer Weile.
Skar antwortete nicht gleich, aber er lächelte, ohne daß Del es sehen konnte. Für einen ganz kurzen Moment glaubte er ein Echo der alten Wärme und Freundschaft zu
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