Enwor 7 - Das schweigende Netz
Leben lang darauf trainiert, mit Gegnern wie ihm fertig zu werden.
Skar bog verzweifelt den Kopf zur Seite, als sich die Zähne des Kampfhundes aus seinem Arm lösten und nach seinem Gesicht schnappten. Blindlings schlug er zu, traf aber nur den harten Stirnknochen des Hundes; ein Hieb, der weh tat, die Wut des Tieres aber nur noch steigerte. Diesmal gruben sich die Zähne des Ungeheuers tief in seine rechte Schulter. Skar stürzte zum zweiten Mal nach hinten, und dieses Mal hatte er nicht mehr die Kraft, sich in die Höhe zu stemmen. Dutzende von Gestalten umgaben ihn, Menschen wie Quorrl, aber niemand machte auch nur den Versuch, ihm zu Hilfe zu kommen.
Der Hund fiel mit einem schrillen Heulen über ihn her, schnappte nach seiner Kehle und versuchte, ihn mit den Pfoten in die Augen zu treffen. Skar schlug ihm gegen die Schnauze, spürte, wie einer der langen, spitzgefeilten Reißzähne abbrach und bekam das Fell unter seinem Hals zu fassen. Mit aller Kraft zerrte er daran, brachte den Hund mit einem verzweifelten Ruck aus dem Gleichgewicht und tastete mit der freien Hand nach seinem Schwert.
Ein schwarzer Stiefel trat nach dem Griff des
Tschekal.
Die Waffe verschwand klappernd zwischen den Beinen der Zuschauer. Skar schrie vor Wut und Enttäuschung auf, war aber geistesgegenwärtig genug, auch mit der zweiten Hand zuzupak-ken, als der Hund seinen Griff zu sprengen drohte. Seine Finger gruben sich so tief in den Hals des mächtigen Tieres, daß Blut aus seinem Fell sickerte.
Trotzdem fühlte er, daß er den Kampf verlieren würde. Der Hund raste vor Mordlust, und seine Kraft war einfach größer als seine eigene. Skar trat zwei-, dreimal hintereinander mit dem Knie zu und spürte, wie eine Rippe des Hundes brach. Das Tier heulte schrill — und seine Fänge näherten sich weiter Skars Gesicht. Sein Atem war heiß und roch nach Blut und Verwesung. Und plötzlich war ein zweiter, noch größerer Schatten über ihm. Eine schuppige Hand packte den Hund, riß ihn scheinbar mühelos von Skar herunter und brach ihm noch in der gleichen Bewegung das Genick.
Skar schloß aufatmend die Augen, blieb eine Sekunde reglos mit zitternden Gliedern liegen und begann sich dann sehr vorsichtig zu erheben. Eine riesige Krallenhand streckte sich ihm entgegen. Er ergriff sie, ließ sich von dem Quorrl in die Höhe ziehen und erkannte erst dann das flache, grüngeschuppte Gesicht des Barbarenkriegers, der ihn gerettet hatte.
»Titch!« rief er überrascht aus. »Du?«
»Jemand mußte dir ja helfen, nicht wahr?« spöttelte Titch. »Deine eigenen Leute wollten es ja offensichtlich nicht.« Er wurde übergangslos ernst, drehte sich herum und fuhr den erstbesten Quorrl an, den er sah: »Was ist hier geschehen?«
»K'scherian«,
begann der Quorrl,
»essha —«
»Sprich so, daß man dich versteht, Kerl!« unterbrach ihn Titch wutentbrannt, und noch immer in der Hochsprache Enwors.
Skar begriff, daß Titch wollte, daß er jedes Wort verstand.
Der Krieger schrumpfte unter Titchs Blick sichtlich in sich zusammen. »Die Satai haben uns angegriffen, Herr, und —«
Titchs Schlag kam so schnell, daß nicht einmal Skar ihn sah.
Der Quorrl keuchte, taumelte einen Schritt zurück und griff sich mit beiden Händen an den Hals. Dunkles Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Er war tot, noch bevor er zur Seite fiel und auf dem Boden aufschlug.
»Nicht!« rief Skar erschrocken. Titch fuhr herum und funkelte ihn zornig an, und Skar fügte mit einem raschen Verziehen der Lippen hinzu: »Es geht mich nichts an, ich weiß — aber wir erfahren nicht, was passiert ist, wenn du deine Leute umbringst, ehe sie es uns sagen können.«
Titch antwortete nicht darauf, sondern blickte ihn nur weiter aufgebracht an, und Skar gewann ein paar Sekunden, indem er sich nach seinem Schwert bückte und es wieder in den Gürtel schob. Die Männer, denen er dabei nahe kam, wichen fast angstvoll vor ihm zurück. Er fragte sich, ob der dabei war, dem ein gewisser Stiefel gehörte.
Als er sich wieder aufrichtete und zu Titch umdrehte, bemerkte er, daß der Quorrl nicht allein gekommen war, sondern in Begleitung seiner Leibgarde, eines guten halben Hunderts Quorrl, die jetzt allerdings nicht mehr die prachtvollen Metallrüstungen vom Nachmittag trugen, sondern in schwarze Harnische aus Leder und eisenhartem Holz gehüllt waren. Dazu trugen sie dunkelrote Mäntel, die bei der schlechten Beleuchtung aber ebenfalls schwarz aussahen, und flache, sehr wuchtige
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