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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ellbogen hochstemmte und die Müdigkeit wegzublinzeln versuchte, machte er Licht und begann, die wenigen Habseligkeiten, die er mitgebracht hatte, in seine Satteltaschen zu stopfen; schnell und mit den übertrieben heftigen Bewegungen eines Mannes, dessen Handeln von schierer Wut bestimmt wird. Er war sich vollkommen darüber im klaren, daß er seinen Entschluß schon bald bereuen würde — aber vielleicht war gerade das der Grund, weshalb er keine weitere Minute mehr vergeuden wollte. Er hätte schon längst gehen sollen, schon vor Tagen, und er wußte, daß er in seiner Entscheidung abermals schwankend werden würde, wenn er es jetzt nicht
sofort
tat. Wenn die Sonne aufging, dann mußte er meilenweit weg sein von dieser verdammten Burg, und von diesem Krieg. Es hieß, daß man vor seinem Schicksal nicht davonlaufen konnte, aber verdammt, wer hatte je gesagt, daß es sein Schicksal sein mußte, in einem Krieg mitzukämpfen, der nicht
sein
Krieg war und dessen wirklichen Grund er nicht einmal kannte?
    »Was tust du?« fragte Kiina verwirrt.
    »Das siehst du doch!« knurrte Skar, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Ich gehe.«
    Kiina stand auf, machte einen Schritt und blinzelte benommen.
    Sie war offensichtlich noch nicht ganz wach; und ebenso offensichtlich begann sie erst allmählich zu begreifen, wo sie überhaupt war. Skar sah, daß sie fast unmerklich zusammenfuhr, als ihr klarwurde, daß sie an seiner Seite eingeschlafen war. Aber sie verlor kein Wort darüber.
    »Du gehst?« fragte sie gähnend. »Wohin?«
    Skar zuckte abgehackt mit den Schultern und schloß die Schnalle seiner Satteltasche. »Irgendwohin«, entgegnete er. »En-wor ist groß.«
    »Du gehst fort?« vergewisserte sich Kiina verwirrt. Sie gähnte erneut, fuhr sich mit der linken Hand über die Augen und sah ihn verstört — und ein bißchen erschrocken — an. Dann nickte sie, als wäre ihr etwas Wichtiges eingefallen.
    »Du hast dich mit Del gestritten«, vermutete sie.
    »Sieht man mir das so deutlich an?« fragte Skar verärgert. »Nein«, antwortete Kiina. »Aber ihr beiden tut doch nichts anderes.« Sie lächelte matt. »Ich habe mit Bradburn gesprochen
    - und einigen der anderen Männer. Es heißt, ihr wärt einmal Freunde gewesen. Aber seit ihr hierhergekommen seid, streitet ihr euch, so oft ihr euch seht.«
    »Das stimmt«, gab Skar zu und schwang sich die Satteltaschen über die Schulter. »Und das ist auch der Grund, warum ich gehe. Es tut mir leid, daß ich dir nicht helfen konnte. Aber ich bin sicher, Del wird auch Elay befreien, sobald er seinen Krieg gewonnen hat.«
    Er wollte zur Tür gehen, aber Kiina vertrat ihm den Weg.
    »Was ... was soll das heißen?« fragte sie fassungslos. Offensichtlich hatte sie immer noch nicht begriffen, was er
wirklich
gemeint hatte. »Du willst uns im Stich lassen?«
    Skar schob sie grob beiseite, ging aber trotzdem nicht weiter.
    Es war absurd, aber er hatte plötzlich das Gefühl, sich vor diesem Kind rechtfertigen zu müssen. »Ich lasse euch nicht im Stich«, stellte er richtig. »Es tut mir leid, wenn du es so siehst, aber es ist nicht so. Ich... ich muß einfach fort. Weg von Del, ja, aber auch weg von diesem Heer, weg von diesem Krieg, weg von ... von diesem verdammten Ort.«
    Und genau das war es. Es war, als zerrisse ein unsichtbarer Schleier, der bisher über seinem Denken gelegen hatte; als hätte er es erst laut aussprechen müssen, um die Wahrheit zu erkennen, obwohl sie so simpel war:
    Es war dieser Ort. Diese Burg mit ihren schwarzen, himmelstürmenden Mauern und ihrer Kälte und Finsternis. Es hatte begonnen, als er das erste Mal hiergewesen war, als Drasks Gefangener und später sein scheinbarer Verbündeter, und es war weitergegangen, nachdem Del und er diese Festung genommen hatten und zum zweiten Mal hierhergekommen waren. Es war etwas an — in — ihr, das seine Gedanken wie ein schleichendes Gift verpestete, das nicht nur ihn, sondern jeden hier reizbar und aggressiv und böse machte. Es war ganz genau so, wie Kiina gesagt hatte: Dieser Ort war
böse.
Und er ließ jeden böse werden, der zu lange in seinen Mauern weilte.
    Kiinas Gedanken schienen in den gleichen Bahnen zu verlaufen, denn sie widersprach ihm nicht mehr. Sie versuchte auch nicht, ihn noch einmal zurückzuhalten, sondern nickte im Gegenteil.
    »Dann komm mit mir«, schlug sie vor. »Geh mit mir zurück nach Elay, Skar.«
    Einen Moment lang war Skar wirklich versucht, ihr Angebot anzunehmen. Aber nur für eine

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