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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vorsichtig auf den toten Drachen zu. Kiina tat genau das, was er erwartet hatte — sie ignorierte seinen Befehl und folgte ihm in weniger als zwei Schritten Abstand. Skar näherte sich dem Tier in einem weiten Bogen, obwohl er dabei in unangenehme Nähe der Flammen geriet. Aber er hatte kein Vertrauen in die Festigkeit des abgestorbenen Gewebes, das den tonnenschweren Kadaver stützte. Er war nicht besonders erpicht darauf, unter dem zusammenbrechenden Drachen begraben zu werden.
    Die Bewegung wiederholte sich, und wie um die Szene besser zu beleuchten, loderten die Flammen hinter ihnen plötzlich heller auf und durchbrachen den Schatten mit roter Glut, so daß Skar jetzt erkennen konnte, was sie verursacht hatte.
    Es war ein Mensch. Eine schmale, in ein schmuckloses schwarzes Kapuzengewand gehüllte Gestalt, die verkrümmt und mit angezogenen Armen und Beinen wie ein Embryo auf der Seite lag und sich schwach bewegte. Eine
Errish.
    Kiina schrie auf, stürmte an ihm vorbei und fiel neben der
Ehrwürdigen Frau
auf die Knie herab. Ein leises Stöhnen drang unter der Kapuze hervor, als Kiina versuchte, sie auf den Rücken zu drehen. Die grausame Karikatur einer Hand kroch aus den Falten des schwarzen Gewandes und tastete zitternd nach Kiinas Gesicht, und fast im gleichen Moment schrie Kiina so gellend und voller Entsetzen auf, daß Skar die letzten Schritte bis zu ihr mit einem Satz überwand und sie instinktiv zurückriß. Gleichzeitig hob er das Schwert.
    Kiina schlug seinen Arm beiseite, wobei sie sich einen langen, blutigen Kratzer an der Klinge des
Tschekal
zuzog, ohne es auch nur zu bemerken. »Steck die Waffe weg!« herrschte sie ihn an.
    »Bist du wahnsinnig, Satai? Das ist die
Margoi!«
    Skar schob Kiina kurzerhand zur Seite, legte das Schwert aber wenigstens neben sich auf den Boden, als er sich vor der Gestalt im schwarzen Mantel in die Hocke sinken ließ.
    »Rühr sie nicht an!« drohte Kiina. »Ich warne dich —
rühr sie nicht an!«
    Ein schwaches Stöhnen drang aus den Schatten unter der Kapuze, dann eine Stimme, die Stimme einer jungen Frau, die trotzdem auf schreckliche Weise so müde und brüchig klang wie die einer Greisin.
    »Laß ihn, Mädchen. Er wird... mir nichts antun.«
    Skar versuchte, die Schatten unter dem Mantel mit Blicken zu durchdringen, aber es gelang ihm nicht richtig. Er erkannte die schemenhaften Umrisse eines Gesichtes, aber etwas daran war falsch. Beunruhigend. Die verkrüppelte Hand bewegte sich vor ihm über den Boden und verschwand raschelnd wieder in den Falten des Gewandes; wie eine Spinne, die nur kurz ihr Nest verlassen hatte, um nach Beute Ausschau zu halten, dachte Skar schaudernd. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß die Worte der
Margoi
als Frage gemeint waren. Fast hastig schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das werde ich nicht. Hat sie recht? Du bist die
Margoi?«
Die
Errish
hustete qualvoll, dann nickte sie. »Ich war es. Oder ja, ich bin es.« Sie lachte ganz leise und bitter und voller Schmerz. »Aber ich bin tot, Satai. Die tote Königin eines toten Volkes. Du bist doch ein Satai? Das ist... Satai-Kleidung, die du trägst.« Das Schattengesicht unter der Kapuze bewegte sich, und Skar glaubte zu erkennen, wie sich die Augen angestrengt verengten. »Das ist der Mantel eines... Hohen Satai?«
    »Ich bin Skar«, antwortete Skar.
    »Skar.« Die
Margoi
wiederholte das Wort, als versuche sie etwas Vertrautes in seinem Klang zu erkennen. Dann, nach einer Weile, nickte sie. »Oh, ja, ich erinnere mich. Das Mädchen... ging, um... um dich zu holen. Wie war doch gleich sein Name?«
    »Kiina«, antwortete Kiina. Sie ließ sich neben Skar auf die Knie sinken und warf ihm einen irritierten Blick zu. Skar schüttelte fast unmerklich den Kopf. Der Geist der Sterbenden begann sich zu verwirren, schon der Klang ihrer Stimme machte das klar. Sie hatten eine Überlebende gefunden, aber sie waren zu spät gekommen, um sie zu retten.
    »Kiina. Ja, ich erinnere mich. Du bist... Gowennas Tochter.«
    Sie versuchte, sich aufzurichten, aber ihre Kraft reichte nicht. Mit einem schmerzhaften Keuchen sank sie zurück und stöhnte leise.
    Ihre Hand glitt kraftlos unter dem Mantel hervor und berührte Skars Bein. Er mußte mit aller Macht den Impuls unterdrücken, sie beiseite zu schlagen. Die Berührung war unangenehm: kalt und naß und viel mehr wie die toten als lebenden Fleisches, und auch Kiinas Augen weiteten sich erschrocken, als sie sie zum zweiten Mal und jetzt wohl deutlicher

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