Enwor 8 - Der flüsternde Turm
wahr«, widersprach Skar, sanft, aber sehr bestimmt. »Was immer es war, das Elay zerstört hat — es sind Wesen wie wir, die es entfesselten.«
»Wesen wie wir?« Die
Margoi
sah ihn auf sonderbare Weise an, und für einen Moment war Skar fast sicher, daß sie sein Geheimnis kannte. Aber wenn es so war, dann zog sie es vor, darüber zu schweigen.
»Vielleicht keine Wesen wie wir«, sprach er weiter. »Aber sie sind sterblich. Sie leben, und was lebt, kann getötet werden. Unsere Vorfahren haben sie schon einmal besiegt.«
»Die
Alten
hatten die Macht von Göttern«, widersprach die
Margoi.
»Wir
Errish
haben uns immer eingebildet, die Erben ihrer Macht zu sein, aber du hast gesehen, wie leicht sie uns überwältigen konnten.«
»Und doch war es eine
Errish,
die uns die Rettung brachte«, sagte Skar. Er verschwieg absichtlich, daß das Wasser des Lebens versagt hatte. Was hätte es genutzt, einer Sterbenden unnötig weh zu tun?
»Miri hat euch erreicht?«
»Eine dunkelhaarige
Errish
auf einer riesigen Daktyle«, sagte Skar. »Sie trug die Haut eines Ultha als Rüstung.« Kiina sah ihn fragend an, aber er spürte, daß ihnen nur noch sehr wenig Zeit blieb, und fuhr mit leiser, eindringlicher Stimme und sehr schnell fort: »Sie starb, ehe sie die Burg erreichte, aber ich fand ihren Leichnam. Und das, was sie brachte.«
»Dann war nicht alles umsonst«, flüsterte die
Margoi.
»Ich wußte von ihrem Plan und versuchte ihn zu vereiteln, als ich unter dem Einfluß des... Wächters stand, aber es gelang mir nicht. Ich bin sehr froh.«
Ein Teil des Netzes stürzte brennend im hinteren Drittel der Höhle zusammen, und Skar spürte das Beben, das durch den Körper des toten Staubdrachens ging, an dem die
Margoi
lehnte. Der Flammenschein wurde heller und die Luft merklich wärmer.
»Ihr müßt... gehen«, flüsterte die
Margoi.
»Rasch, ehe es zu spät ist. Kümmert euch nicht um mich.«
Skar war der Verzweiflung nahe. Es gab so viele Fragen, die er ihr hatte stellen wollen, auf die er eine Antwort haben
mußte,
wenn nicht alles umsonst gewesen sein sollte. Gleichzeitig wußte er, daß sie recht hatte. Ihnen blieben allerhöchstens noch Sekunden.
»Herrin...«, wimmerte Kiina.
»Kümmert euch nicht um mich«, wiederholte die
Margoi.
»Ich bin hierhergekommen, um zu sterben. Bei Ehla, bei... den anderen. Geht. Geht nach... Norden. Geht ins Land der Quorrl. Vielleicht ... findest du dort die Antworten, die du suchst.« Sie lachte, hustete wieder und lachte noch einmal. »Oder die Fragen, die zu den Antworten passen, die du schon kennst.«
»Und Ihr?« fragte Skar.
Die
Margoi
blickte ihn an, und er begriff. Mühsam stand er auf, zwang auch Kiina mit sanfter Gewalt auf die Füße und blickte das brennende Netz über ihren Köpfen an. Die Flammen wogten wie ein Himmel aus Feuer unter der Höhlendecke. Es wurde heißer. »Geht nicht durch die Stadt zurück«, sagte die
Margoi.
»Der Staub ist noch immer gefährlich, und ihr müßt... leben. Kiina muß leben. Sie ist... die Tochter der
Margoi.
Vielleicht die letzte
Errish,
die es noch gibt.« Sie sah zu Skar auf. »Du wirst sie beschützen?« »Das werde ich«, versprach Skar.
»Dann geht«, sagte die
Margoi.
Mit einer Kraft, die Skar ihr nicht mehr zugetraut hätte, richtete sie sich weiter auf und streckte ihm die Hand entgegen. Erst jetzt fiel ihm der kleine, silberne Ring auf, den sie am Mittelfinger trug. »Nimm ihn«, flüsterte sie. »Es ist der... Ring der
Ehrwürdigen Mutter.
Vielleicht gibt es niemanden mehr, der ihn erkennt, aber wenn, dann... wird er dir nutzen.«
»Euer Ring?« Skar zögerte. Er wußte, was der schlichte Ring bedeutete.
»Ich schenke ihn dir nicht«, antwortete die
Margoi.
»Gib ihn Kiina, wenn sie alt genug ist.«
Skar zögerte. Hitze und Flammen kamen näher und machten sich bereits mehr als unangenehm bemerkbar, aber alles in ihm sträubte sich dagegen, die Hand der Sterbenden zu berühren und das Symbol ihrer Macht an sich zu nehmen. Schließlich tat er es doch, aber er hatte das Gefühl, glühendes Eisen zu berühren.
»Und du, Kiina — komm her.«
Kiina gehorchte. Während Skar zwei, drei Schritte zurückwich, kniete sie zitternd neben der sterbenden
Errish
nieder. Skar sah, wie sich die Lippen der
Margoi
bewegten, aber die Worte waren so leise, daß er sie nicht verstand. Und er wollte es auch nicht. Ohne zu wissen, worüber die beiden so ungleichen Frauen sprachen, begriff er, daß es etwas war, das ihn nichts anging. Sie
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