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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sprachen nicht lange miteinander, nur wenige Sätze, aber in die Qual auf Kiinas Zügen mischte sich Schrecken, während sie den Worten der
Margoi
lauschte. Für einen kurzen Moment starrte sie ihn an, und der Blick, mit dem sie ihn musterte, spiegelte pures Entsetzen. Skar ahnte, was in ihr vorging. Er wußte, was die
Margoi
von Kiina erwartete; eine letzte Pflicht, die
er
ihr gerne abgenommen hätte.
    Aber er durfte es nicht. Er wußte, daß Kiina ihn hassen würde, wenn er es tat.
    Schließlich wandte sie sich wieder der sterbenden
Errish
zu, nickte kaum merklich und beugte sich vor, um ihre Stirn zu küssen.
    Skar wandte sich um, als er sah, wie Kiina den Dolch aus dem Gürtel zog.

S kar konnte hinterher nicht sagen, wie lange sie brauchten, um zur Erdoberfläche zurückzukehren. Aber die Sonne ging bereits unter, als sie aus einem schmalen Spalt im Fels traten und Elay vor ihnen lag; nur ein Steinwurf entfernt, aber leider auf der falschen Seite. Sie mußten die Stadt völlig umrunden, um zu den Pferden zurückzukommen, und als sie es geschafft hatten, war es völlig dunkel geworden. Und als hätten sie noch nicht genug Schwierigkeiten, dachte er ärgerlich, war die Nacht fast sternenlos. Es regnete noch immer, und die dichtgeschlossene Wolkendecke verschluckte auch noch das bißchen Licht, das der Mond spendete. Die Felsen, hinter denen Titchs Quorrl lagerte, waren nicht mehr zu erkennen. Selbst Elays Mauern waren zu formloser Schwärze geworden, deren Nähe man eher spürte als sah.
    Er half Kiina, in den Sattel zu steigen, und sie war erschöpft genug, seine ausgestreckte Hand zu ergreifen. Skar konnte ihr Gesicht in der herrschenden Dunkelheit nicht erkennen, aber er ersparte sich die Frage, wie sie sich fühlte; ihr schneller, flacher Atem und die müde, weit über den Hals des Pferdes nach vorne gebeugte Haltung, in der ihr Schatten im Sattel saß, erzählte ihm genug über Kiinas Zustand. Der Rückweg war anstrengend gewesen, selbst für ihn, und es war genau das geschehen, was er nicht nur erwartet, sondern Kiina sogar
prophezeit
hatte: Sie hatte ihre Kräfte überschätzt und nicht einmal versucht, sie einzuteilen. Die letzten zwei-, dreihundert Meter auf dem Wege nach oben war sie mehr gekrochen als gegangen.
    Er band die beiden Pferde los, schwang sich auf den Rücken seines eigenen Reittieres und wischte sich mit einer beiläufigen Bewegung den Regen aus dem Gesicht, während sein Blick die Nacht im Westen absuchte. Die Wolkendecke war so dicht, daß er selbst das Meer nur hörte und roch, nicht sah. Sie würden aufpassen müssen, der Steilküste nicht zu nahe zu kommen. Elay lag zwar nur fünfzig Schritte vom Meer entfernt, dafür aber
fünfhundert
Fuß
über
ihm. Seufzend griff er nach Kiinas Zügel, knotete sie auf und hielt die Lederriemen lose in der linken Hand, während er mit der anderen sein eigenes Tier lenkte. Kiina ließ es widerspruchslos geschehen, als wäre sie niemals das trotzige Kind gewesen, als das er sie in den letzten drei Wochen kennen und gleichermaßen lieben wie hassen gelernt hatte. Vielleicht würde sie es nie mehr sein, nach dem, was sie in der Höhle der Drachen erlebt hatte.
    Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte all seine Sinne darauf, den Weg vor ihnen zu beobachten. Er konnte wenige Schritte weit sehen, nicht besonders gut, und wirklich nicht weit, aber weit genug, um nicht Gefahr zu laufen, sich unversehens auf der falschen Seite der Steilküste wiederzufinden und herauszufinden, wie lange ein Pferd samt Reiter brauchte, um fünfhundert Fuß weit in die Tiefe zu stürzen. Trotzdem fühlte er sich nicht sicher. Der Gedanke, in fast völliger Finsternis zu den wartenden Quorrl zurückreiten zu müssen, behagte ihm nicht, aber es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, daß seine Furcht andere Gründe hatte. Er hatte die Worte der
Margoi
nicht vergessen: der Sturm, der den tödlichen Staub nach Elay getragen hatte, war vom
Meer
her gekommen.
    Für eine geraume Weile ritten sie schweigend nebeneinander her. Die einzigen Geräusche waren das rhythmische Klatschen der Wellen eine Turmhöhe unter ihnen und das gleichmäßige Prasseln des Regens, der den Boden unter den Hufen ihrer Pferde in Morast verwandelte. Im nachhinein kam es Skar fast absurd vor, daß dieser Regen, unter dem sie alle seit Tagen ritten und auf den jeder von ihnen schon aus Leibeskräften geflucht hatte, ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hatte. Hätte er nicht den

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