Enwor 8 - Der flüsternde Turm
die mit ihnen aufgebrochen waren, überlebten die Nacht nicht.
Und die
Errish
taten ihr Bestes, den übrigen zu helfen.
Aber ihr Bestes war nicht sehr viel. Sie waren begnadete Helferinnen — die Geschicklichkeit, mit der sie Wunden der Quorrl versorgten, hätten jeden Arzt vor Neid erblassen lassen. Aber sie
verbanden
nur. Sie
heilten
nicht. Skar sah nichts von der fast magischen Begabung, Wunden zu heilen und Schmerzen zu lindern, die den Ruf der
Ehrwürdigen Frauen
überall auf Enwor begründet hatten. Anschi und ihre Mädchen brachten Blutungen zum Stehen, legten Salben auf Verbrennungen und schienten gebrochene Glieder; aber all das hätte auch Skar oder ein beliebiger anderer gekonnt, mit der entsprechenden Ausbildung. Von der magischen Heilkraft einer echten
Errish
sah Skar nichts in den zwei Stunden, in denen er den Mädchen half, die am schlimmsten verletzten Quorrl zu versorgen.
Er verlor kein Wort darüber, aber er begriff, daß seine Befürchtung richtig gewesen war. Von diesen Kindern würde er keine Hilfe zu erwarten haben.
Nach einer halben Stunde stieß Kiina zu ihnen; begleitet von einer bleichen, humpelnden
Errish,
deren Augen vor Schrecken groß und rund wurden, als sie ihn erkannte. Skar würdigte sie keines Blickes, winkte aber Kiina zu sich und erklärte ihr mit wenigen, knappen Worten, was vorgefallen war. Zu seiner Überraschung hörte Kiina zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, und gesellte sich dann wortlos zu Anschis Mädchen, um ihnen zu helfen.
Es wurde Mitternacht, bis sie das Schlimmste geschafft hatten und endlich auch Skar an der Reihe kam, seine Wunden versorgen zu lassen. Es war Anschi selbst, die sich seiner gebrochenen Rippe und den zahllosen kleinen und großen Kratzern und Schrammen auf seiner Haut annahm, und obwohl sie sich alle Mühe gab und sich auch wirklich geschickt anstellte, fügte sie ihm erheblich mehr Schmerzen zu, als er es bei einer
Errish
erwartet hatte. Trotzdem: nachdem sie fertig war, fühlte sich Skar wesentlich besser. Sein Brustkorb war bandagiert worden, so daß ihm das Atmen schwer fiel, aber wenigstens nicht mehr weh tat, und auf seine Hautabschürfungen hatte Anschi eine übelriechende, aber angenehm kühlende Salbe aufgetragen. Eine fast wohltuende Schwäche hatte sich in seinen Gliedern breitgemacht. Er wünschte sich, schlafen zu können. Aber natürlich war daran in dieser Nacht nicht mehr zu denken.
Er bedankte sich bei Anschi, stand auf und ging mit langsamen Schritten zu den Quorrl hinüber. Obwohl jetzt klar war, daß die Quorrl von den jungen
Errish
nichts mehr zu befürchten hatten, lagerten sie immer noch in einer Art Verteidigungsstellung: einem dicht geschlossenen Kreis, in dessen Mitte sich die Verwundeten befanden und den keine
Errish
betreten durfte; die Quorrl, deren Wunden versorgt werden mußten, wurden von ihren Kameraden zu den
Errish
hin- und anschließend wieder zurückgetragen. Nicht einer von Titchs Quorrl hatte seine Waffen aus der Hand gelegt, und ihr improvisierter Lagerplatz befand sich ganz bestimmt nicht durch Zufall in unmittelbarer Nähe des Felsengewirrs, in dem sie während des Kampfes Deckung gefunden hatten. Skar registrierte all dies mit großer Besorgnis. Er konnte die Spannung, die in der Luft lag, beinahe fassen. Normale Menschen und Quorrl, das war schwierig genug.
Errish
und Quorrl, das war wie Feuer und Wasser. Er hatte das Gefühl, auf einem gewaltigen Pulverfaß zu sitzen, dessen Zündschnur er brennen hören, aber nicht sehen konnte.
Er entdeckte Titch inmitten seiner Männer und wollte zu ihm gehen, aber einer der Quorrl vertrat ihm den Weg. Skar war sicher, daß der Krieger ihn erkannte; schließlich waren sie zwei Wochen zusammen geritten, und auch wenn Skar nicht die Namen und Gesichter aller Quorrl kannte, so bestand doch kein Zweifel, daß diese
ihn
kennen mußten. Trotzdem gab der Quorrl den Weg erst frei, als Titch eine entsprechende Bewegung machte.
Titch empfing ihn unfreundlich, fast aggressiv. »Was willst du?«
»Mit dir reden«, antwortete Skar.
»Reden? Worüber?« Der Quorrl machte eine zornige Bewegung mit der gesunden Hand.
»Über das, was geschehen ist«, antwortete Skar. Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben. Titch hatte allen Grund, zornig zu sein, und auf eine schwer zu begründende Art fühlte sich Skar mitschuldig an dem, was geschehen war. Trotzdem ärgerte ihn Titchs herausfordernde Art. »Ob es Konsequenzen hat, und wenn ja, welche.«
»Konsequenzen?« Titch
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