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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Quorrl. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er wieder Angst vor ihm.
    »Dann können wir ja jetzt unsere Wunden lecken und weiterziehen, wie?« fuhr Titch fort: kalt, gefühllos, als versuche ein Stein zu reden. »Es war ja alles nicht so gemeint. Und es tut mir auch wirklich leid, Satai, wenn wir eine oder zwei deiner
Errish
verletzt haben sollten, bei dem Versuch, unser Leben zu retten.«
    »Bitte, Titch«, sagte Skar. »Ich verstehe ja, daß du —«
    Titchs Hand zuckte vor, packte Skar und riß ihn mit brutaler Kraft in die Höhe. Skar verlor den Boden unter den Füßen, keuchte vor Schrecken und unterdrückte im letzten Moment den Impuls, sich losreißen zu wollen. Titchs Augen funkelten ihn durch den dünnern Sehschlitz des schweren goldenen Helmes an wie glitzernde Diamanten, und er sah Haß darin, einen brennenden, unbezwingbaren Haß, der ihn schaudern ließ. Er wollte etwas sagen, aber er bekam keine Luft; Titchs Faust schnürte ihm den Hals zu.
    »Du«,
knurrte der Quorrl, »verstehst
gar nichts,
Satai. Du bist auch nur —« Er brach ab, starrte Skar eine weitere, quälende Sekunde lang aus brennenden Augen an und öffnete warnungslos die Faust. Skar taumelte zurück, konnte einen Sturz nicht mehr ganz verhindern und fiel auf ein Knie herab.
    Als er sich wieder aufrichtete, hatte der Quorrl sich herumgedreht und die gesunde Hand zur Faust geballt. Er stand vollkommen reglos da, breitbeinig, die gewaltigen Schultern gebeugt wie unter einer unsichtbaren Zentnerlast, und trotzdem überragte er Skar noch immer um mehr als Haupteslänge.
    »Titch, ich —«
    »Schweig«, sagte der Quorrl. »Bitte.«
    »Kein Kampf mehr?« fragte Skar leise.
    Sekundenlang antwortete Titch nicht. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. »Nein. Geh, Satai. Geh zu deinen
Freunden.«
Skar wollte weiterreden, aber dann spürte er, daß Worte jetzt sinnlos waren. Was immer er sagen konnte, es würde alles nur noch schlimmer machen. Niedergeschlagen drehte er sich um und ging zu den
Errish
zurück.
    Er sah jetzt, daß es nicht sehr viele waren; zusammengenommen mit den dreien, die er niedergeschlagen hatte, nicht viel mehr als ein Dutzend, die zwischen den knorrigen Gestalten der Reptilienwesen sonderbar klein und verwundbar wirkten. Und sie waren wirklich alle so jung, wie er geglaubt hatte. Die Gesichter, die ihn schreckensbleich unter den schwarzen Kapuzen hervor anstarrten, waren die von Kindern, die nicht einmal begreifen konnten, was sie getan hatten.
    Er trat wieder auf die
Errish
zu, mit der er gesprochen hatte. »Sie legen die Waffen nieder«, sagte er bitter. »Der Kampf ist vorbei.« »Du meinst, sie ergeben sich?« fragte die
Errish.
    Skar ohrfeigte sie.
    Er wollte es nicht, aber seine Hand bewegte sich einfach ohne sein Zutun und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige, die sie meterweit zurücktaumeln ließ. Eines der Mädchen neben ihr sog scharf die Luft ein und hob seine Waffe. Skar starrte sie an, und der Scanner senkte sich wieder. Wütend eilte er der
Errish
nach, packte sie bei den Schultern und riß sie herum. »Nein!« sagte er. »Sie
ergeben
sich nicht! Sie beenden den Kampf, falls du den Unterschied begreifst!
Sie
wissen nämlich, wer ihre Feinde sind!«
    Die junge
Errish
hob erschrocken die Hand vor das Gesicht, als hätte sie Angst, noch einmal geschlagen zu werden, und plötzlich sah Skar Tränen in ihren Augen. »Es... es tut mir leid, Satai!« stammelte sie.
    »Leid?« Skar lachte böse. »So? Dort drüben liegen zwanzig tote Männer, Kleines! Warum gehst du nicht zu Titch hinüber und entschuldigst dich bei ihm?« Er versetzte ihr einen Stoß, der sie abermals zurück- und in die Arme einer ihrer Schwestern taumeln ließ. Zorn packte ihn, ein furchtbarer, hilfloser Zorn, der vielleicht um so schlimmer war, als er gleichzeitig begriff, daß diese Kinder nicht einmal
verstanden,
was er überhaupt meinte. Wütend drehte er sich herum, machte ein paar Schritte zurück in Richtung auf die Felsen, zwischen denen sich die Quorrl allmählich aufrichteten, und blieb wieder stehen.
    Warum?
dachte er.
Warum mußte alles, was er begann, so enden? War es wirklich so, wie er einmal zu Kiina gesagt hatte: daß ein Fluch auf ihm lastete, der alle verdarb, die in seine Nähe kamen?
    Er hob den Kopf und starrte zu den Felsen empor, darauf gefaßt
    - fast in Erwartung —, den
Daij-Djan
zu sehen, seinen finsteren Schatten, der gekommen war, um sein Werk zu betrachten und ihn höhnisch anzugrinsen. Aber er war nicht da.

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