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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gleich.« »Du hast gesagt, du bringst uns in den Norden«, sagte Kiina.
    »Ich habe nicht von den Quorrl gesprochen«, unterbrach sie Anschi. Ihre Stimme bebte. »Skar und ich werden gehen. Sonst niemand.«
    Kiina wollte auffahren, aber Skar brachte sie mit einer raschen Geste zum Verstummen. »Findest du nicht«, sagte er vorsichtig, »daß zu einer solchen Entscheidung mindestens zwei gehören?« »Möglicherweise«, antwortete Anschi. »Unter normalen Umständen. Aber die Umstände sind nicht normal. Enwor brennt, Satai. Unsere Welt steht in Flammen, von einem Ende zum anderen. Was weißt du über die Lage im Norden?«
    Skar tauschte einen fragenden Blick mit Titch, ehe er antwortete: »Nicht sehr viel.«
    »Es gibt auch nicht sehr viel zu wissen«, erwiderte Anschi. »Ihr habt keine Chance, die Quorrl-Gebiete zu erreichen. Nicht lebend und nicht in der kurzen Zeit, die euch noch bleibt.« Sie machte eine Kopfbewegung auf die Berge über ihnen. »Das Tal der Drachen ist unpassierbar geworden«, fuhr sie fort, in einem schneidenden, bestimmten Ton, der jeden Widerspruch von vornherein ausschließen sollte. »Es war schon früher gefährlich, es zu durchqueren.
    Jetzt ist es eine Hölle. Ich sage das nicht nur, um meinen Willen durchzusetzen, Skar. Wir waren da. Meine Schwestern und ich haben die letzten drei Monate dort gelebt.«
    »Und überlebt«, fügte Kiina hinzu.
    Anschi schenkte ihr einen Blick, der vor Verachtung troff.
    Trotzdem antwortete sie: »Weil wir viele waren. Weil Yul bei uns war und wir die geheimen Kräfte der
Errish
beherrschen. Und weil wir jeden Quadratfuß des Tales kannten. Trotzdem sind viele von uns gestorben. Und selbst wenn es euch gelänge«, fuhr sie mit leicht erhobener Stimme fort, als Kiina abermals widersprechen wollte, »wäre es Selbstmord. Ganz Thbarg ist ein Schlachtfeld. Jeder kämpft gegen jeden, und die wenigen, die bisher überlebt haben, hassen die Satai fast ebenso, wie sie die Quorrl fürchten. Die Saat der Zauberpriester ist aufgegangen. Die alten Werte stehen auf dem Kopf, Skar. Die Völker im Norden sind nicht mehr deine Freunde. Sie fürchten die Satai.«
    »Wir sind fast zweitausend Meilen geritten, ohne angegriffen worden zu sein«, sagte Skar.
    »Da wart ihr fünfzig«, sagte Anschi. »Niemand greift einen Trupp von fünfzig Quorrl an, der nicht —« Sie brach mitten im Wort ab und biß sich auf die Lippen. »Es wäre Selbstmord. Ganz davon abgesehen, daß uns keine Zeit mehr bleibt. Ich kann dich binnen drei Tagen nach Norden bringen. Zu Pferde brauchtet ihr Wochen, selbst wenn ihr es schafft, was unmöglich ist.«
    Skar wollte widersprechen, aber dann hob er statt dessen nur mit einem lautlosen Seufzen die Schultern. Er begriff plötzlich, warum Titch während der ganzen Zeit so ruhig gewesen war; und das, obgleich es eigentlich gar nicht seine Art war, als
Bittsteller
zu kommen. Der Quorrl hatte viel früher als er begriffen, daß Anschi logischen Argumenten nicht mehr zugänglich war.
    Wortlos gingen sie zu den Quorrl zurück, die in zwanzig Schritt Entfernung stehengeblieben waren, bewacht von zwei jungen
Errish,
in deren Händen Scannerwaffen blitzten, und einer gigantischen Daktyle, die wie ein schwarzer Geier auf den Felsen über ihren Köpfen hockte und die schuppigen Gestalten mißtrauisch beäugte.
    »Sie hat völlig recht, Skar«, sagte Titch, als sie außer Hörweite der
Errish
waren. »Wir werden uns einen anderen Lagerplatz suchen. Die Berge sind groß.«
    »Unsinn«, widersprach Skar. »Ich rede noch einmal mit ihr. Sie ist erregt, aber sie wird einsehen, daß sie sich täuscht.«
    »Es wäre nicht gut, wenn wir in ihrer Nähe blieben«, beharrte Titch. »Meine Krieger fürchten sie, ich sie selbst...« Er suchte einen Moment nach Worten. »Ich spüre ihren Haß«, sagte er. »Du nicht?«
    Skar erschrak; vielleicht, weil Titch nur laut aussprach, was er selbst schon lange bemerkt hatte: Der Zorn, der Anschi und ihre Schwestern erfüllte, war nicht mehr normal. Es war nicht nur der Schmerz über den Tod der anderen und auch schon lange nicht mehr das normale Mißtrauen zwischen zwei Völkern, die Feinde gewesen waren, solange sie sich zurückerinnern konnten. Es war mehr. Es war... völlig sinnloser Zorn, der gleiche ziel- und grundlose Wille zu töten und zu vernichten, den auch er selbst gespürt hatte, in seinen Träumen. Weder Titch noch ihm war entgangen, wie schwer es Anschi gefallen war, sich nicht einfach auf den Quorrl zu stürzen.
So

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