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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Quorrl in seiner blitzenden Goldrüstung neben ihm erschien.
    »Was hast du?« fragte Titch alarmiert.
    Skar zuckte wortlos mit den Schultern und fuhr fort, auf die Ebene hinabzustarren. Das Sternenlicht vermittelte ihm nur die Illusion, gut sehen zu können, das wußte er. In Wirklichkeit war alles, was weiter als fünfzig oder sechzig Schritte entfernt war, nur schemenhaft zu erkennen. Und trotzdem — er konnte die Gefahr beinahe körperlich spüren.
    Vielleicht werde ich verrückt,
dachte er. Vielleicht hatte der
Daij-Djan
endlich erreicht, was er wollte, und er vermochte schon nicht mehr zwischen Realität und Traum zu unterscheiden. Gleichzeitig spürte er, daß das nicht stimmte. Etwas
war
da. Er konnte es fühlen, so deutlich, wie er die Anwesenheit des
Netzes
in Drasks Burg gefühlt hatte.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er hilflos. »Aber wir... wir sollten hier verschwinden, Titch.« Der Quorrl sah ihn fragend an, und Skar fügte hinzu: »Weck deine Männer. Wir brauchen ein anderes Lager. Höher in den Bergen. Vielleicht bei Anschi und den anderen. Wir —«
    Er sah die Bewegung aus den Augenwinkeln, aber seine Reaktion wäre zu spät gekommen, so schnell sie auch war.
    Skar warf sich herum und gleichzeitig zurück, aber das Zuschnappen der gewaltigen Fänge war schneller. Grünschimmerndes Panzerhorn grabschte in einer mörderischen, zupackenden Bewegung nach ihm, einer Bewegung, die stark und schnell genug war, ihn in zwei Stücke zu reißen, so mühelos, wie er Papier zerfetzte.
    Es war Titch, der ihm das Leben rettete.
    Seine gepanzerte Faust zuckte in einer unglaublich schnellen Bewegung vor und fing den Hieb ab, der Skar den Kopf von den Schultern reißen sollte. Gleichzeitig warf sich der Quorrl vor, rammte die Angreiferin mit seinem gesamten Körpergewicht und brachte sie aus dem Tritt. Seine linke, verletzte Hand sauste herab und traf die gepanzerten Schultern der Beterin mit der Wucht eines Hammerschlages. Skar konnte das daumendicke Chitin ihres Körperpanzers brechen hören wie sprödes Glas. Das Rieseninsekt war tot, noch ehe Skar mit einem ungeschickten Schritt nach hinten taumelte und zu Boden stürzte, aber Titch packte es trotzdem noch einmal mit seinen gewaltigen Pranken, schmetterte es mit aller Kraft zu Boden und zermalmte mit einem Fußtritt seinen Schädel; ein blinder Reflex, den Skar nur zu gut verstehen konnte. Beterinnen gehörten zu den wenigen bekannten Tieren Enwors, die selbst einem Quorrl gefährlich werden konnten, wenn sie in die Enge getrieben oder verletzt waren.
    Er stand auf, ging zu Titch zurück und blieb in respektvollen zwei Schritten Abstand stehen, während Titch die tote Beterin mißtrauisch musterte, wobei er die verletzte Hand fest gegen den Brustpanzer drückte. Selbst im Tod bot die Beterin noch einen bedrohlichen Anblick: fast sieben Fuß lang von den mächtigen, eingeknickten Fangscheren bis zur Schwanzspitze, dabei so dürr, daß sie fast schon wieder lächerlich wirkte. Ihre Beine waren nicht dik-ker als Skars kleiner Finger. Aber er wußte, welch entsetzliche Kraft in diesen so zerbrechlich aussehenden Gliedmaßen steckte.
    Er hatte Pferde gesehen, die von diesen gigantischen Insekten zerfetzt worden waren.
    »Eine Beterin«, murmelte Titch fassungslos. Sein Blick suchte den Skars, aber sein Gesicht spiegelte nichts als Verwirrung. »Aber das... das ist unmöglich! Sie greifen niemals Menschen an!«
    »Es sei denn, sie sind verrückt vor Hunger«, antwortete Skar.
    Sein Blick ging wieder auf die trügerisch still daliegende Ebene vor den Bergen hinaus. »Oder vor Angst«, fügte er hinzu.
    Titch lachte. »Was bist du, Skar?« fragte er spöttisch. »Ein altes Weib, das Unheil aus Regenwolken liest?« Aber es klang unsicher; er spürte, daß in Skars Worten mehr Wahrheit war, als sie beide in diesem Augenblick schon ahnen mochten. Und Skar machte sich nicht einmal die Mühe, zu antworten. Langsam und ganz instinktiv noch immer zwei Schritte Abstand von der toten Beterin haltend, trat er an Titch vorbei und blickte konzentriert auf die Ebene hinab.
    Und dann sahen sie es beide: Nicht einmal sehr weit von ihrem Standort entfernt bewegten sich Schatten. Der Regen machte es unmöglich, Einzelheiten zu erkennen, und sein monotones Rauschen verschluckte jeden Laut, aber auch Titch mußte die grotesken, fast menschlich wirkenden Umrisse der Tyrr erkennen, die sich der steinernen Vorhut der Berge näherten; zwei, drei, vier... »Ein altes Weib,

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