Enwor 8 - Der flüsternde Turm
begehst und damit vielleicht eine ganze Welt vernichtest. Kiina und ich gehen zurück zu den
Errish.
Ich werde mit Anschi reden. Sie wird zur Vernunft kommen, und du und deine Männer, ihr werdet hier warten, bis ich zurück bin.«
»Ich könnte versuchen, einige ihrer Daktylen zu stehlen«, sagte Kiina.
Skar erwog diesen Vorschlag einen Moment lang ganz ernsthaft, schüttelte aber dann den Kopf. Selbst wenn es Kiina gelänge, würden sie nicht sehr weit kommen. Die
Errish
beherrschten die großen Flugechsen ungleich besser, als es Kiina jemals könnte.
»Nein«, antwortete er. »Aber vielleicht könntest du etwas Verwirrung unter ihnen stiften — nur für den Fall, daß wir fliehen müssen.«
»Fliehen? Aber du —«
»Es wird nicht nötig sein«, unterbrach sie Skar in scharfem Tonfall. »Aber ich bin gerne auf alles vorbereitet.«
»Auch auf das, was nicht nötig ist?«
»Darauf ganz besonders.« Rasch und bevor Kiina noch mehr Schaden anrichten konnte, drehte Skar sich herum und ging an dem Quorrl vorbei zum Ausgang der Höhle hin. Kiina folgte ihm, und sie machte sogar den Versuch, ihm den Weg zu vertreten, damit er stehenblieb, trat aber im letzten Moment zur Seite, als sie auf seinem Gesicht las, daß er sie ohne zu zögern über den Haufen gerannt hätte. Skar seinerseits widerstand der Versuchung, sich noch einmal zu Titch umzudrehen, ehe er die Höhle verließ, sondern begann vorsichtig, aber sehr schnell, den abschüssigen Hang hinunterzulaufen, der die Felsenhöhle vom Lager der
Errish
trennte. Es gelang Kiina erst, ihn einzuholen, als sie den Fuß der geröll-übersäten Halde erreicht hatten. Ärgerlich griff sie nach seinem Arm, versuchte ihn herumzureißen und steckte mit einem Fluch den Finger in den Mund, als er einfach weiterging und sie sich einen Fingernagel abbrach.
Ein Schatten vertrat ihnen den Weg, als sie Anschis Lager näher kamen. Skar hörte schwarzen Stoff rascheln, dann blitzte silberfarbenes Metall im Sternenlicht. Er spannte sich, aber dann erkannte die
Errish
Kiina oder ihn und trat wortlos zur Seite. Ein titanischer Schatten faltete lautlos seine Schwingen über ihnen zusammen, als sie den Posten passierten und das eigentliche Lager betraten.
Es war sehr still. Die meisten
Errish
schienen zu schlafen, nur vor dem Feuer hockten drei zusammengekauerte Schatten, und auf den Felsen, die das Lager überragten, erhob sich eine menschliche Silhouette zwischen den monströsen Umrissen der Daktylen. Von dem Streit, von dem Kiina berichtet hatte, sah und hörte Skar jedenfalls nichts.
Eine der kauernden Gestalten erhob sich, als sie ihre Schritte hörte. Im düsteren Rot des heruntergebrannten Feuers erkannte Skar Anschis müdes Gesicht. Sie sagte kein Wort, sondern machte nur eine sonderbar matte Bewegung zum Feuer hin, setzte sich wieder und reichte Skar wortlos eine lederne Flasche und ein kleines Holzbrett, auf dem sich ein Rest kalten Bratens befand. Skar bediente sich von beidem, obwohl er weder hungrig noch durstig war. Aber er spürte, daß es besser war, wenn er Anschi reden ließ. Sie hatte nicht die mindeste Spur von Überraschung gezeigt, ihn zu sehen; Kiinas Behauptung, sie wüßte nicht, daß sie sich fortgeschlichen hatte, um ihn zu warnen, war wohl eher Wunsch als Wirklichkeit gewesen.
»Wozu hast du dich also entschieden?« fragte sie nach einer Weile.
Skar ließ die Flasche sinken und sah Anschi über die prasselnden Flammen hinweg nachdenklich an. Die Direktheit, mit der sie zur Sache kam, überraschte ihn ein wenig. Sie paßte nicht zu der Anschi, die er bisher kennengelernt hatte. Aber vielleicht war sie einfach zu müde für lange Vorreden.
Er zuckte mit den Schultern. »Die Frage ist wohl eher, wie
du
dich entschieden hast«, sagte er.
Anschi lächelte müde und warf Kiina einen amüsierten Blick zu. »Sie hat dir erzählt —?«
»Das hat sie«, bestätigte Skar. »Aber es wäre nicht nötig gewesen.«
Anschis Blick wurde fragend, und Skar fügte erklärend hinzu:
»Du bist nicht die einzige, die schlechte Träume hat.«
»Es sind nicht nur die Träume«, widersprach Anschi, aber ohne Nachdruck und erst nach einer geraumen Weile, in der sie aus blicklosen Augen in die Flammen gestarrt hatte.
»Sondern?«
Wieder schwieg Anschi für endlose Sekunden, die sich zu einer Minute reihten, dann noch einer und noch einer. »Ich weiß es nicht«, gestand sie schließlich. »Ich...« Sie zögerte, sah Kiina an und sprach erst weiter, als Skar ihr mit einem
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