Enwor 8 - Der flüsternde Turm
viel Haß... So unendlich viel Haß...
»Es ist dasselbe, was in Elay passiert ist«, sagte er. Titch blickte fragend, aber Skar erklärte seine Worte nicht. Statt dessen drehte er sich herum und blickte noch einmal zu den
Errish
zurück. Anschis Mädchen hatten ein Feuer entzündet, vor dessen rotem Schein sich ihre Gestalten wie unheimliche schwarze Schatten abhoben, die Chimären aus seinen Träumen, die in Körper gekrochen waren, und das Dutzend Daktylen bildeten eine bizarre Wache auf den Felsen und Lavanadeln, die das Lager säumten. So
unendlich viel Haß...
Ja, er spürte es auch. Zehnmal deutlicher als Titch.
Dann sah er den Schatten. Klein, dürr und eckig wie der eines Insekts stand er zwischen den Daktylen, nur für ihn sichtbar, und winkte ihm spöttisch zu.
D ie Nacht des Wahnsinns war noch nicht zu Ende. Die Quorrl hatten schließlich einen Platz für die Nacht gefunden, nicht so weit vom Lager der
Errish
entfernt, daß sie sich aus den Augen verloren, aber weit genug, das Risiko einer zufälligen Konfrontation auszuschließen: eine Höhle, eine halbe Meile über Anschis Lager, geräumig genug, den Rest von Titchs zerschlagener Armee aufzunehmen, deren Eingang aber gleichzeitig klein genug war, um ihn leicht verteidigen zu können. Nicht daß Skar glaubte, daß dies ir-gend etwas nutzte: Er beobachtete die Anweisungen, die Titch dem Quorrl am Eingang der Höhle gab, mit dem sicheren Gefühl, etwas völlig Sinnloses zu sehen. Welche Gefahr es auch immer war, der sie gegenüberstanden, es war keine, der sie mit Waffen oder Körperkraft begegnen konnten.
Sie entzündeten ein Feuer, und nach einer Weile wurde es behaglich warm in dem kleinen Felsendom. Skar hockte sich neben Titch an die Feuerstelle, zog den nassen Mantel aus und hielt die Hände über die prasselnden Flammen. Die Wärme tat ihm gut. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl. Die winzige Höhle erschien ihm viel mehr Gefängnis als Schutz. Sie sollten nicht hier sein.
Nicht einmal in diesem Teil der Welt. Es war falsch gewesen, Kiinas Bitten zu folgen und den Umweg über Elay zu machen, anstatt direkt in den Norden zu reiten, wie sie ursprünglich geplant hatten.
Nach einer halben Stunde meldete der Posten am Ausgang, daß jemand kam. Titch wollte aufstehen, aber Skar schüttelte rasch den Kopf und ging selbst, um nachzusehen.
Im ersten Moment war er fast blind, denn seine Augen hatten sich an das grelle Licht des Feuers gewöhnt, und der Himmel hatte sich wieder in Wolken gehüllt, so daß die Nacht schwärzer war denn je. Aber dann erkannte er Kiina, die gebückt und ungeschickt den geröllübersäten Hang vor der Höhle heraufkletterte.
Als sie zu ihm in die Höhle trat, waren ihre Kleider und ihr Haar schwer vom Regen. Schaudernd streifte sie den nassen Umhang ab, trat an das Feuer und ließ sich davor in die Hocke sinken. Sie sah noch immer krank aus, fand Skar, aber es war jetzt kein Siechtum mehr, das ihr Gesicht zeichnete, sondern die Blässe beginnender Rekonvaleszenz. Offensichtlich war es so, wie er vermutet hatte: Kiinas Körper war dem Ansturm des giftigen Staubes einfach eher erlegen als der seine, ganz einfach, weil sie schwächer war als er. Aber sie hatte die Krise auch schneller überwunden. Skar wagte gar nicht daran zu denken, was hätte geschehen können, hätten sie Elay drei oder vier Tage früher erreicht.
»Bringst du Nachrichten von Anschi?« fragte er, als Kiina auch nach einer Weile keine Anstalten machte, irgend etwas zu sagen, sondern nur fröstelnd die Hände über dem Feuer aneinanderrieb. Sie wich seinem Blick aus, aber Skar bemerkte auch, daß sie es fast krampfhaft vermied, einen der Quorrl anzusehen. »Ja«, sagte sie schließlich. »Oder nein. Eher Neuigkeiten über Anschi.«
Skar blickte fragend, aber Kiina sprach nicht weiter. Ihr Blick irrte durch das schattenverhüllte hintere Drittel der Höhle, als suche sie etwas. Skar begriff.
»Einer von Titchs Männern ist schwer verletzt«, sagte er.
»Kannst du nach ihm sehen?«
Natürlich konnte Kiina das nicht, und der überraschte Blick, den Titch ihm zuwarf, sagte ihm sehr deutlich, daß auch der Quorrl das wußte. Trotzdem erhob er keine Einwände, als Kiina nach kurzem Zögern nickte und zu der schlafenden Gestalt des Kriegers trat. Skar folgte ihr, während Titch reglos hocken blieb und so tat, als wäre er im Sitzen eingeschlafen. Skar war klar, daß der Quorrl jedes Wort verstehen mußte, selbst wenn sie flüsterten. Seine Sinne waren
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