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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Gedanken zu Ende zu denken. Es war nicht in ihm. Es war fort, irgendwo, vielleicht zurückgeschreckt vor dem Etwas, das es in seiner Seele entdeckt haben mochte, vielleicht einfach nur weg. Es
mußte
einfach so sein.
    »Es ist fort, Anschi«, sagte er noch einmal, fast als wäre es nötig, es laut auszusprechen, um es zur Wahrheit werden zu lassen. Ein leises Stöhnen antwortete ihm. Skar zuckte zusammen, fuhr herum und hob erschrocken die Hand vor den Mund, als er Anschi erblickte.
    Die
Errish
war vollends zu Boden gestürzt. Ihr Gesicht war verzerrt, und ihr verbrannter Mantel färbte sich allmählich dunkel und rot.
    »Du bist verletzt!« keuchte Skar. Hastig beugte er sich vor und wollte Anschi in die Höhe ziehen, aber die
Errish
schob seine Hand beiseite.
    »Es… geht schon«, stöhnte sie. Ihr Gesicht war grau vor Schmerz. »Es tut weh, aber… ich werde es überleben.« Sie sah Skar an, und ein neuer, nicht zu deutender Ausdruck trat in ihre Augen. »Du… bist wahnsinnig«, murmelte sie. »Um ein Haar hätte er dich… umgebracht!«
    »So wie dich«, antwortete Skar ruhig.
    »Das war etwas anderes«, widersprach Anschi. »Ich… großer Gott, du… du hast ihn besiegt! Wie hast du das gemacht?«
    Skar zuckte verwirrt die Achseln. »Ich weiß es nicht«, sagte er, und das war die Wahrheit. Er hatte es einfach getan. Und er hatte gewußt, daß er ihm nichts antun würde. Wenigstens jetzt nicht.
    »Aber ich glaube, du bist mir ein paar Antworten schuldig«, sagte er. »Was ist das hier alles? Dieser Turm, dieser Raum, dieses…« Er deutete hilflos auf die Marmorschale. Wie hatte Anschi sie genannt?
Den Nabel der Welt?
    »Du kennst das alles hier«, behauptete er.
    Anschi schüttelte ein paarmal den Kopf, dann stemmte sie sich mühsam in die Höhe, wobei sie sich mit der linken Hand auf den Altarstein abstützte. Aber sie stand aus eigener Kraft. Ihre Verletzung schien tatsächlich nicht so schlimm zu sein, wie Skar im ersten Augenblick angenommen hatte. »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte sie ernst.
    Skar nickte. »Dazu sind Freunde da, oder? Aber das ist keine Antwort auf meine Fragen.«
    »Ich weiß«, sagte Anschi. »Später, Skar. Nicht jetzt.« Sie deutete zur Tür. »Sie werden gleich hier sein.«
    »Jetzt«, beharrte Skar. Anschi hatte recht, hundertmal recht.
    Ian hatte sie und die
Errish
erkannt, und er war gewiß nicht davongestürzt, um vor ihnen zu fliehen. Jeder Augenblick, den sie hier unten verbrachten, konnte über ihr Leben entscheiden. Aber er kannte Anschi mittlerweile viel zu gut, um nicht zu wissen, daß sie ihm niemals antworten würde, wenn nicht jetzt und hier. Mit einer zornigen Bewegung riß er sie zurück, als sie aufstehen und an ihm vorbeigehen wollte.
    »Jetzt!« sagte er noch einmal. »Was ist hier los? Was bedeutet dieser Turm? Dieses… Wesen?«
    Anschi riß sich los, machte aber keinen weiteren Versuch, die Kammer zu verlassen. Statt dessen tat sie etwas, was Skar im ersten Augenblick verblüffte: Sie bückte sich nach den umgeworfenen Kerzenständern, stellte sie wieder auf und zündete sorgfältig die erloschenen Kerzen wieder an.
    »Was es ist?« Sie zuckte mit den Schultern, ohne ihn anzusehen. »Ich weiß es nicht, Skar. Ich bin nicht die
Margoi,
sondern nur eine kleine Schülerin. Ich war nicht einmal besonders weit, als es geschah.«
    »Aber du warst schon einmal hier.«
    »Sicher. Dies ist der Turm der Drachen. Der Ort, an dem wir ihnen am nächsten sein können. Wir alle kommen hierher, früher oder später.«
    »Auch…«
    Er sprach nicht weiter, aber Anschi erriet seine Frage. Sie drehte sich jetzt doch zu ihm herum.
    »Auch Kiina?« Sie schüttelte den Kopf, als er nickte, und lächelte traurig. »Nein. Ich weiß, daß dir viel an dem Mädchen liegt. Du liebst sie, nicht wahr?«
    Skar nickte.
    »Aber sie war niemals hier. Sie wußte von der Existenz dieses Ortes, aber für sie war er nur eine Ruine. Ein leeres Schloß, in das sich die
Margoi
zurückzog, um zu meditieren. Sie ist keine von uns.«
    »Sie ist die Tochter eurer Königin!«
    »Sie ist ein Bastard«, antwortete Anschi, aber sie tat es mit einem Lächeln, das aus dem Begriff eher eine Liebkosung als ein Schimpfwort machte. »Ein Kind, das nie geboren werden durfte. Vielleicht hast du recht, und es ist etwas Besonderes an ihr, aber es ist nicht unsere Macht, die sie geerbt hat.«
    »Sie hat einen Drachen geritten, als ich sie das erste Mal sah.« Anschi machte eine wegwerfende Handbewegung.

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