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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vermutung wurde beinahe Gewißheit. Ennart hatte den Turm aus einem Schlaf geweckt, der ihn eine Million Jahre lang vor dem Verfall bewahrt hatte, aber er hatte ihn damit auch umgebracht; vielleicht, ohne es selbst auch nur zu ahnen. Vielleicht würde es Ian und seinen Brüdern sogar gelingen, den endgültigen Zusammenbruch noch einmal abzuwenden, aber die unheimliche Macht, die dieser Turm einst besessen hatte, war vergangen. Endgültig.
    Als sie die letzte Treppe hinaufstürmten und sich der Halle mit den Daktylen näherten, stießen sie auf einen weiteren toten Zauberpriester. Aber der Mann war nicht verbrannt oder von einem niederstürzenden Trümmerstück erschlagen worden — jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Skar blieb stehen, betrachtete den Toten einen Moment lang alarmiert und sah Anschi fragend an. Sie deutete seinen Blick richtig und nickte. »Ich bin nicht die einzige
Errish,
die nicht mehr unter Ennarts Einfluß steht«, sagte sie.
    Skar schwieg. Er empfand keinerlei Triumph beim Anblick des Toten. Der Sieg bereitete ihm schon lange keine Zufriedenheit mehr. Nicht einmal mehr Erleichterung. Jeder Tote in diesem Kampf war ein Toter zuviel, denn er stärkte nur ihre wahren Feinde. Trotzdem zog er sein Schwert und bedeutete Anschi mit Gesten, zurückzubleiben, als sie sich der Tür näherten.
    Die Halle hatte sich verändert. Vor der offenen nördlichen Wand zogen dichte Rauchschwaden vorbei, und der Himmel über dem Turm glühte rot im Widerschein der Flammen, die in seinem Hof tobten. Der Teil der gegenüberliegenden Wand, den Skar sehen konnte, war von rechteckigen roten Feuernestern übersät; Fenstern, hinter denen Flammen loderten. Skar fragte sich, was in einem Gebäude, das ganz und gar aus Stahl bestand,
brennen
konnte, aber er fand keine Antwort.
    Nur noch drei der großen Drachenvögel hielten sich in der Kammer auf. Direkt hinter der Tür lagen die Leichen eines halben Dutzend Zauberpriester, niedergestreckt von Scannerschüssen oder Messerstichen, und unter ihnen gewahrte Skar auch die reglose Gestalt einer
Errish.
Zwei weitere Schwestern Anschis standen hoch aufgerichtet hinter den Toten. Die Waffen in ihren Händen waren drohend auf Skar gerichtet.
    Anschi stieß einen abgehackten, befehlenden Laut aus, schob Skar einfach beiseite und lief zu den
Errish
hinüber. Die Waffen der beiden Mädchen blieben unverrückbar auf Skar gerichtet, während Anschi mit hastiger, schneller Stimme und in einem unverständlichen Dialekt auf sie einredete, aber er konnte sehen, wie sich das Mißtrauen in ihrem Blick legte und vorsichtiger Erleichterung Platz machte.
    »Wo sind die anderen?« fragte er, als Anschi zu ihm zurückkam.
    »Fort«, antwortete die
Errish.
»Zusammen mit Kiina und dem Quorrl. Diese drei haben auf uns gewartet.«
    »Woher wußten sie, wo wir waren?«
    »Von Kiina«, antwortete Anschi mit einem raschen, fast mütterlichen Lächeln. »Hast du wirklich geglaubt, daß sie ohne dich geht? Sie hat der Daktyle einfach befohlen, den Quorrl abzuwerfen, und dann so lange auf ihn eingeschlagen, bis er aufgegeben hat.«
    Trotz des Ernstes ihrer Lage mußte Skar lächeln. Er hätte sich denken können, daß Kiina sich nicht befehlen lassen würde, was sie zu tun hatte. Schon gar nicht von ihm.
    »So brauchen wir sie wenigstens nicht zu suchen«, fuhr Anschi fort. »Sie sind in einer Höhle in den Bergen, die ich kenne.« Sie machte eine fragende Geste auf die Daktylen. »Willst du mit mir reiten?«
    Skar warf einen mißtrauischen Blick auf die riesigen Flugreptilien. Er war schon mehrmals auf einer Daktyle geritten, aber es war ein Erlebnis, das jedesmal gleich unangenehm war. Ein Flug in fünftausend Fuß Höhe, noch dazu auf dem Rücken einer Bestie, die wenig Hemmungen hatte, eine kleine Pause einzulegen, um ihren Reiter zu verspeisen, war etwas, woran er sich nie gewöhnen würde.
    »Sicher«, sagte er. »Wir —«
    Der Rest seiner Antwort ging in einem zornigen Schrei unter, der von der Tür her erscholl. Skar sah erschrocken auf und gewahrte eine große, in mattes Schwarz gekleidete Gestalt mit schütterem blonden Haar, und hinter ihr die Schatten von zwei, drei weiteren Männern.
    Ian brüllte wie von Sinnen, als er Anschi und ihn gewahrte, und riß sein Schwert in die Höhe.
    »Nicht, Ian!« schrie Skar. »Laß dir erklären —«
    Aber der Zauberpriester hörte seine Worte gar nicht. Mit einem zornigen Schrei sprang er auf ihn zu, hob sein Schwert und ließ die Klinge mit

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