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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die Wahrheit gesagt.«
    Es dauerte einen Moment, bis Skar überhaupt begriff, wovon sie sprach. Dann hob er den linken Arm und betrachtete das schmale silbrige Band, das sich um sein Gelenk spannte. Er hatte sich bereits so an sein Dasein gewöhnt, daß er es schon gar nicht mehr bewußt zur Kenntnis nahm.
    »Ich wollte es dir… später… sagen«, fuhr Anschi fort. Das Sprechen fiel ihr immer schwerer. Ein dünner Blutfaden lief aus ihrem Mundwinkel und das Kinn hinab. Skar streckte behutsam die Hand aus und wischte ihn fort.
    »Er… schützt dich, so lange… du ihn… trägst«, stöhnte Anschi. »Aber das Gift ist noch… noch immer in deinem… Körper. Du wirst… sterben, wenn du… ihn entfernst…«
    »Ich weiß«, sagte Skar.
    Anschi schüttelte schwach den Kopf. »Nein, du weißt… nichts. Du stirbst auch, wenn… du ihn trägst. Geh zu… den Quorrl. Geh dorthin, wo… wo Miri war. Das Wasser der Quorrl… kann dich… retten.«
    Skar legte sanft die Hand auf ihre Lippen, aber Anschi schob sie beiseite. Ihre Augen begannen zu brechen. »Siehst du, Satai«, flüsterte sie. »Du hast mir… das Leben… gerettet. Aber jetzt habe ich… meine Schulden… bezahlt.«
    Das waren ihre letzten Worte, ehe sie in Skars Armen starb.

D ie peitschenden Schwingen der Daktylen trugen sie nach Norden, weiter auf ihrem unterbrochenen Weg ins Land der Quorrl und der Toten. Sie blieben nicht zusammen; nach nur wenigen Augenblicken löste sich einer der Drachenvögel aus ihrer kleinen Formation und kippte nach Westen und gleichzeitig in die Tiefe ab, und ohne daß Skar sich nach der
Errish
umdrehte, wußte er, wohin sie flog: ihr Ziel war ein schmaler, tief eingeschnittener Felsspalt unweit des Turmes, vor dem es nun keine unsichtbare Barriere mehr gab. Er wußte nicht, ob es den Drachen gelingen würde, den Turm zu zerstören. Er wußte nur, daß er das Mädchen wahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde, und er sollte recht behalten.
    Die Festung blieb rasch hinter ihnen zurück, aber Skar nahm kaum Notiz von dem riesigen Turm, obwohl er ihn jetzt das erste Mal von außen und in voller Größe sah, und vielleicht zum letzten Mal. Dichte Rauchschwaden umgaben den schwarzen Würfel aus Stahl, und als sie sich weiter entfernt hatten, sah er, daß seine Flanken von kleinen und großen roten Pusteln übersät waren, wie von feurigem Ausschlag. Der Anblick erinnerte ihn auf entsetzliche Weise an den Flammenleib des Dämons, dem sie in seinen Kellern begegnet waren. Aber auch an Anschi.
    Der Tod der
Errish
ging ihm nahe; viel näher, als er erwartet hatte. Nach allem hätte Anschi vielleicht nicht sein Feind, aber doch alles andere als jemand für ihn sein müssen, der ihm nahe stand. Trotzdem fühlte er sich wie gelähmt, auf eine Art betäubt, die tief ging und sehr schmerzhaft war. Vielleicht war es die Tatsache, daß sie sich geopfert hatte, um sein Leben zu retten, vielleicht waren es auch ihre letzten Worte gewesen:
Ich habe meine Schulden bezahlt.
    Und wann und vor allem:
womit
würde er
seine
Schulden bezahlen? Mit seinem Leben? Lächerlich.
Ein
Menschenleben reichte längst nicht mehr, um wettzumachen, was er so vielen schuldete.
    Der Flug in die Berge, die das Tal der Drachen wie eine allseits geschlossene Mauer umgaben, dauerte den ganzen Tag. Sie rasteten einmal, um den Daktylen eine Pause zu gönnen und sich selbst ein wenig zu stärken. Skar wechselte in dieser Zeit kein Wort mit der
Errish,
die die zweite Daktyle flog. Sie saßen dicht nebeneinander, enger, als nötig gewesen wäre, und nach einer Weile lehnte sich das Mädchen an seine Schulter. Er spürte, wie es lautlos zu weinen begann, aber er sagte auch dann noch nichts, sondern legte einfach nur den Arm um ihre Schulter und wartete, bis sie sich beruhigt hatte und ihm mit Gesten zu verstehen gab, daß es Zeit war, wieder aufzubrechen. Er war nicht sicher, ob es nur die Trauer um Anschi und ihre Schwester war, die das Mädchen hatte weinen lassen. Vielleicht war Anschi nicht die einzige gewesen, die begriffen hatte, daß auch die Geschichte der
Ehrwürdigen Frauen
Enwors nichts als eine einzige, große Lüge war.
    Als sie wieder auf die Rücken der beiden gewaltigen Flugechsen kletterten, begann Skars linker Arm zu schmerzen.
    Mit dem letzten Licht des Tages erreichten sie den Treffpunkt, der nicht aus einer Höhle bestand, wie Anschi gesagt hatte, sondern aus den zerfallenen Resten einer uralten Festung, deren abbröckelnde Mauern selbst am hellen Tag

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