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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jetzt bald Frühling. Sei froh, daß es noch so ist. In der Dunkelheit haben wir eine bessere Chance, das Dorf ungesehen zu erreichen.«
    Es war das zweite Mal, daß Titch eine Bemerkung machte, die sich Skar nicht erklären konnte, und diesmal überging er sie nicht. »Worauf willst du hinaus?« fragte er. »Werden wir verfolgt?«
    »Nicht direkt«, antwortete Titch. »Es gibt Patrouillen. Sehr viel mehr als früher. Vorhin, als ich beim Dorf war, habe ich Krieger gesehen, die die Straße bewachen. Ich weiß nicht, warum. Aber es ist besser, vorsichtig zu sein. Je mehr Augen uns sehen, desto mehr neugierige Fragen werden gestellt.«
    Aber das war nicht die ganze Wahrheit. Skar spürte es. Titch war kein guter Lügner, vielleicht, weil er trotz allem noch nicht weit genug Mensch geworden war, um Übung darin zu haben. Aber er spürte auch, daß der Quorrl nicht weiter über das Thema reden wollte, und beließ es dabei.
    Er schloß seinen Mantel, so geschickt oder ungeschickt er es mit einer Hand konnte, und warf sich nach kurzem Zögern auch noch die Decke als zusätzlichen Schutz vor der Kälte über die Schultern. Als er fertig war, kehrte Kiina zurück, wie auf ein Stichwort. Wahrscheinlich hatte sie schmollend in den Büschen gestanden und ihn und Titch beobachtet. Skar fragte sich einen Moment, ob sie ihre Unterhaltung belauscht hatte. Aber er glaubte es nicht. Sie hatten sehr leise gesprochen.
    Kiina wich seinem Blick aus. Als sie aufbrachen, hielt sie sich mehr in Titchs Nähe als in seiner, aber das war etwas, was Skar eher begrüßte. Er hoffte, daß das Mädchen und Titch sich in den letzten drei Tagen ein wenig näher gekommen waren, nicht nur, weil dies alles viel leichter machen würde. Es war nie gut, Freunde zu haben, die untereinander verfeindet waren. Und bei Titch und Kiina hatte es ihn immer besonders geschmerzt. Vielleicht, weil sie ihm beide so nahe standen.
    Er merkte schon nach ein paar Schritten, wie recht Titch mit seiner Prophezeiung gehabt hatte, was seine Verfassung anging. Nach seinem Erwachen hatte er sich ausgeruht und erstaunlich frisch gefühlt, aber das war nur eine Illusion gewesen, die kaum so lange hielt, bis er sich hinter Titch durch das Dornengestrüpp gezwängt hatte, das ihr Lager umgab. Das Gehen fiel ihm schwer; während der vergangenen Tage mußten ihm seine Muskeln abhanden gekommen sein. Seine Knie zitterten, und jeder Schritt schien ihn ein ganz kleines bißchen mehr anzustrengen als der vorhergehende. Nach den ersten hundert Schritten hoffte er nichts sehnlicher, als daß das Dorf, von dem Titch gesprochen hatte, wirklich so nahe lag, wie der Quorrl behauptete, und nach den zweiten hundert Schritten begann er zu bezweifeln, daß er es bis dorthin schaffen würde; ganz gleich, wie nahe es war. Zumindest in diesem Punkt täuschte er sich nicht. Der Weg zum Dorf der Quorrl hinunter betrug weniger als drei Meilen, aber die letzten beiden trug ihn Titch wie ein Kind auf den Armen.

D er Weg wurde tatsächlich bewacht. Was Titch in einem Anflug von Größenwahn als
Straße
bezeichnet hatte, war zwar in Wahrheit nichts als ein schlammiger Pfad, der sich in vollkommen willkürlichen Kehren und Windungen den Hang hinaufschlängelte, an dessen Fuß die winzige Ortschaft stand, aber sie konnten selbst im blassen Licht der Morgendämmerung die Anzahl massiger Gestalten erkennen, die beiderseits des Tores lagerte.
    Sie hatten etwa zweihundert Schritte vor der Palisadenwand Halt gemacht, die das Dorf umgab. Der Wald hörte hier wie abgeschnitten auf, und nicht nur
hier:
das Dorf der Quorrl erhob sich im Zentrum einer nahezu kreisrunden Lichtung, die zu kahl und zu rund war, um natürlichen Ursprungs zu sein. Und so klein es war — Skar schätzte seine Einwohnerzahl auf weniger als hundert — es war eine Festung. Die Palisadenwand war gut doppelt mannshoch und wurde von vier klobigen, mit spitzen Dächern gedeckten Wachtürmen überragt, und selbst die Häuser, die er von seinem erhöhten Standort aus erkennen konnte, erinnerten an lauter kleine Burgen: gedrungene Würfel aus wuchtigen Balken mit winzigen Fenstern und schweren Türen, die selbst dem Ansturm eines wütenden Quorrl standhalten mußten.
    »Gibt es ein zweites Tor?« fragte er im Flüsterton.
    Titch schüttelte den Kopf. Der Quorrl war neben ihm und Kiina stehengeblieben, wie sie von den letzten Bäumen des Waldes und der Dämmerung getarnt. Aber beides würde sie nicht mehr schützen, wenn sie versuchten, sich dem

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