Eobal (German Edition)
entspannt, weil sein Blatt offenbar Potenztial hatte, aufgeregt, weil er herausfinden wollte, was er damit anfangen konnte. Er war ernst zu nehmen, denn er würde auf einen machbaren Sieg reizen. Carlotta war eine echte Professionelle, konnte aber vor allem deshalb gelassen und beherrscht bleiben, weil sie die Bank repräsentierte. Ihre Verluste wurden gewiss durch die Bar ausgeglichen und ihre vornehmliche Aufgabe war es, das Spiel am Laufen zu halten, neue solvente Spieler in die Runde einzuführen und ihren Schnitt beim Chef abzuliefern. Dafür wurde sie bezahlt und bestimmt mit Garantieanteil. Ihr fiel das Pokerface leicht, dennoch vermeinte Zant ihrem Blick eine gewisse Unsicherheit zu entnehmen. Ihr Blatt war keine völlige Katastrophe, aber auch keine sichere Bank.
Blieb der Meraner.
Aus Gomas Gestik und Mimik wurde Josefine nicht schlau. Meraner waren hervorragend für ein Pokerspiel geeignet, da sich ihr ausdrucksstärkster Körperteil – ihr Schwanz – im Regelfalle außerhalb des Sichtfeldes befand. Josefine schloss für einen Moment die Augen und tat so, als müsse sie nachdenken. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Geräusche im Raum. Ein Glas klirrte. Jemand schnaubte. Ein Stuhl knarrte. Und dann war da ein leiser, schabender Laut. Fast rhythmisch, aber nur fast. Goma war aufgeregt, hielt sich nur schwer unter Kontrolle. Er hatte ein ausgezeichnetes Blatt.
Josefine öffnete die Augen und sah sich ihr Blatt an. Es war eine mittlere Katastrophe. Sie konnte es mit Cole halten und bluffen, aber weit kam sie damit nicht, denn im Grunde benötigte sie für ein richtiges Spiel fünf neue Karten und dann wusste jeder, dass sie nichts auf der Hand hatte. Cole würde dieses Risiko nicht eingehen, sondern nur eine oder zwei neue Karten fordern, um den Bluff zu untermauern. Josefine kalkulierte ihre Optionen. Ihr ging es nicht darum, das Spiel zu gewinnen, sondern einen gewissen Eindruck zu hinterlassen.
Die Einsätze wurden gemacht. Die Summen, die in die Mitte des Tisches geschoben wurden, bestätigten Zants Einschätzung. Cole brachte ein typisches Gebot für jemanden, der so tat, als hätte er das Blatt der Blätter, und bemühte sich um ein zuversichtliches Lächeln, das ihm Zant nicht einen Moment abnahm. Mocchi erhöhte etwas. Er hatte ein gewisses Vertrauen in seine Karten, wollte aber nicht überreizen. Carlotta ging mit, erhöhte aber nicht. Goma erhöhte. Das schabende Geräusch wurde intensiver. Josefine ging mit und es wurden Karten ausgeteilt. Alle Spieler tauschten ein oder zwei aus, was, wenn Josefine das richtig wahrnahm, Cole nicht sehr half, Mocchis Position eher stärkte als schwächte, Carlotta erneut kalt ließ und Gomas Vorfreude erhöhte. Ihr eigenes Blatt hatte sich leicht verbessert, sie hielt jetzt ein hohes Paar, mit dem sie sicher nichts gegen Goma und wahrscheinlich auch nichts gegen Mocchi ausrichten konnte. Sie legte ab.
Erneut wurden die Einsätze verteilt. Cole beendete seinen Bluff und streckte die Karten von sich. Mocchi erhöhte, Carlotta ging mit, Goma erhöhte nochmals. Josefine tat es Cole gleich und stieg aus. Es blieben drei Spieler und für Zant die Gelegenheit, alle ungenierter als vorher zu beobachten.
Der Meraner schien ganz und gar in dem Spiel aufzugehen. Zant hätte dies vorher kaum für möglich gehalten. Meraner konnten sich durchaus für Spiele begeistern, die aber im Regelfalle stärkere Elemente von direktem Kräftemessen vor einem martialischen Hintergrund enthielten, wie es einer Gesellschaft von – angeblichen – Kriegern gut anstand. Dieses Kartenspiel, in dem es weitaus mehr um Tarnen und Schauspielerei ging, um das Eingehen schwer kalkulierbarer Risiken und vor allem um die intuitive Einschätzung des Gegners, war weitaus weniger »meranisch« als vielmehr »menschlich«. Obgleich sie es nie zugeben würden, hatten Meraner einen gesunden Respekt vor der menschlichen Bereitschaft und Fähigkeit, um viele Ecken zu denken und die Rationalität manchmal auch zugunsten spontaner intuitiver Eingebungen hintenanzustellen. Die Tatsache, dass hier mit Goma ein Meraner saß, der sich exakt um diese Verhaltensweisen bemühte und offenbar nicht einmal schlecht darin war, gab Zant zu denken. Sie hatte bisher nur wenige Meraner kennengelernt oder von ihnen gehört, die willens und in der Lage waren, die Beschränkungen ihrer gewohnten Denkweise hinter sich zu lassen. Und fast alle waren entweder im Diplomatischen Dienst oder im Außengeheimdienst des
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