Eobal (German Edition)
riss Daxxel aus seinen zunehmend verträumten Kontemplationen. Zant neigte devot den Kopf und wartete, dass Daxxel das Wort ergriff. Für Meraner beging eine Frau, die ohne Aufforderung oder Einleitung ihres dominanten Mannes das Wort ergriff, eine ungehörige Frechheit; dabei spielte ihre tatsächliche Machtstellung keine Rolle. RagaNahir gehörte nicht zu jenen, die sich ihr Verhalten von ihrer kulturellen Konditionierung vorschreiben ließen, sonst wäre er ein schlechter Diplomat gewesen. Doch zumindest der Soldat neben ihm fixierte Zant wie eine Aussätzige. Eine Frau als Soldat – das große kulturelle Tabu, das gigantische, unüberwindbare Anathema des Kalifats, das Frauen klar definierte und unumstößliche Rollen zuwies. Jedem aufrechten, konservativen Meraner musste der Anblick einer Soldatin Magenschmerzen bereiten, und Militärs waren konservativ. Es gab keine größere Schande für einen Kämpfer des Kalifats, als von einer Frau niedergestreckt zu werden, und dies war bei den zahlreichen Scharmützeln der letzten Jahre schon mehrmals passiert.
Nichts, was dem Friedensprozess wirklich zuträglich gewesen wäre.
Aber er wollte bei Gott nicht allein hier sein.
»Exzellenz, ich darf Euch Sergeant Josefine Zant vom Marinekorps der Galaktischen Akte vorstellen. Sie ist seit Kurzem zum Schutz des terranischen Konsulats abgestellt.«
RagaNahir senkte spöttisch den Schädel, zum offensichtlichen Missfallen seines Begleiters, dessen Schwanz unbeherrscht über den Boden zuckte.
»Es ist mir eine Freude, Sergeant! Darf ich annehmen, dass Sie kurz nach dem bedauerlichen Tode des geschätzten Dhloma eingetroffen sind?«
Zant schaute nicht auf, als sie antwortete.
»So ist es, Exzellenz. Direkt am Morgen nach dem Mord.«
»Ein entsetzlicher Vorfall.«
»In der Tat.«
RagaNahir schien einen Augenblick zu überlegen, ehe er fortfuhr.
»Das Marinekorps ist für ausgezeichnete Ausbildung und hohe Motivation bekannt, Sergeant.«
»Danke, Exzellenz. Wir bemühen uns um die Einhaltung gewisser Standards.«
»Mein Militärattaché ist gewiss ein geeigneter Gesprächspartner für Sie. Er muss noch einiges über terranische Soldatinnen lernen. Darf ich vorstellen? Captain der doppelten Klaue MonaNahir.«
Der Soldat nahm Habachtstellung ein und starrte erst Zant, dann Daxxel ohne ein Wort an, um schließlich eine Verbeugung anzudeuten. Daxxel hatte Mühe, nicht zu lächeln. Er wurde gerade Zeuge, wie RagaNahir einem jüngeren Mitglied seines Clans eine Lehrstunde in diplomatischen Gepflogenheiten gab. Ohne Zweifel trug ManaNahir einen riesigen Berg an kulturellen Vorurteilen mit sich herum und konnte die Gegenwart von Zant nur schwer ertragen. RagaNahir erteilte ihm nun eine Lektion und stürzte ihn sozusagen ins kalte Wasser. Wollte der Attaché sich nicht blamieren und Schande über seine Familie – und damit über seinen direkten Vorgesetzten – bringen, musste er sich in einem Akt der Selbstüberwindung mit einem der größten Tabus seiner Sozialisierung auseinandersetzen. RagaNahir musste auf seinen jüngeren Verwandten große Stücke halten, wenn er ihn einem derartigen psychischen Stress aussetzte. ManaNahir schien Qualitäten zu haben, die RagaNahir fördern wollte, und dazu gehörte es, gewisse Schranken niederzureißen, die dieser Entfaltung im Weg standen.
Daxxels Respekt vor dem meranischen Botschafter wuchs. Das Kalifat hatte hier alles andere als einen Idioten hergeschickt.
Zant reichte ManaNahir die Hand, die dieser zögerlich ergriff.
»Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sergeant«, rang er sich ab. Als Captain der doppelten Klaue stand der Meraner im Rang weit über Zant, wobei Daxxel davon ausging, dass die Hälfte der Beförderungen aus politischen Gründen erfolgt war. Aufgrund der extremen Verwobenheit von Militär und Politik im Kalifat konnte man sich nie sicher sein, aus welchem Grund genau jemand auf einen bestimmten Rang befördert worden war. Es gab Clans, die eine untergeordnete Rolle im Reich spielten. Stiegen deren Mitglieder in der Militärhierarchie in die höheren Offiziersränge auf, dann war meist tatsächlich persönliche Befähigung die Ursache. Bei den zahlreichen »wichtigen« Clans allerdings war jede Deutung in Unkenntnis der Biographie des Betreffenden ein Vabanque-Spiel.
Die Meranerin kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem drei Teller standen. Zwei davon setzte sie vor den männlichen Meranern ab, einer war offenbar für sie bestimmt.
»Ich darf auch meine
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