EONA - Das letzte Drachenauge
mich um Vida.«
Sie ging ans andere Ende des Raumes, wo die Frau aus dem Widerstand auf einem Hocker saß. »Ihr, meine Liebe, werdet eine Färberdistel sein. Aber ich muss Euch erst noch ein paar warnende Worte sagen vor …«
»Ich finde, Mama Momo ist zu streng«, flüsterte Mondorchidee und lenkte meine Aufmerksamkeit von Vida ab. »Ihr würdet sehr wohl als Orchidee durchgehen.« Lächelnd gab sie mir ein langes, schmales Stück Tuch. »Bitte streicht Euer Haar zurück, Mylady, dann können wir anfangen.«
Ich wickelte mir das Tuch um den Kopf und schob die losen Strähnen darunter.
»Ihr solltet auch Euren Anhänger ablegen.«
Ich streifte die Lederschnur über den Kopf und zog Kygos Amulett unter dem Handtuch hervor. Mondorchidees Blick blieb kurz auf dem pendelnden Goldring hängen und sie schluckte vernehmlich.
»Kygos … ich meine – der Blutring Seiner Majestät«, sagte sie. »Warum habt Ihr ihn? Geht es dem Kaiser gut?«
Ich entzog das Schmuckstück ihrem gierigen Blick. »Er hat ihn mir gegeben.«
Woher wusste sie, dass es Kygos Ring war? Die offensichtliche Antwort war wie ein Schlag ins Gesicht. Wir sahen uns an, und wieder versetzte ihre Schönheit mir einen Stich, der diesmal einen bitteren Beigeschmack hatte.
»Geht es ihm gut?«, fragte sie wieder.
»Heute Morgen war er wohlauf.« Ich schloss die Finger um den Ring.
Mondorchidee wandte sich ab und drückte einen Pinsel in die weiße Schminke. Auf ihrer glatten Stirn hatten sich Falten gebildet, doch selbst das konnte ihre Schönheit nicht beeinträchtigen. Sie holte tief Atem, nahm den Pinsel und strich die überflüssige Farbe am Tiegelrand ab. Als sie sich zu mir umdrehte, war ihr Gesicht wieder heiter. Sie setzte den Pinsel an der Nase an und trug die kühle Schminke vorsichtig auf meine Haut auf.
»Dieser Ring ist ihm sehr wichtig.« Sie sah kurz von ihrer Arbeit hoch. »Er muss Euch sehr schätzen.«
Zweifellos bemerkte sie, dass ich errötete.
»Der Ring soll uns auf unserer Mission schützen«, sagte ich.
»Natürlich.« Sie lächelte und tauchte den Pinsel wieder in den Tiegel. Für kurze Zeit war es still zwischen uns, während sie meine andere Gesichtshälfte und die Stirn in breiten Strichen schminkte.
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. »Wie lange kennt Ihr ihn schon?«
Sie blickte durch ihre langen Wimpern hoch. »Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit Ihre Majestät, Kaiserin Cela, den goldenen Weg zu ihren Vorfahren gegangen ist.«
Das war keine Antwort auf meine Frage, doch etwas Engstirniges in mir war froh, dass sie ihn seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte.
Mondorchidee wandte sich wieder von dem Schminktiegel ab. »Er ist ein sehr gut aussehender Mann.« Ein weiterer langer Pinselstrich endete an meinem Kinn. »Sein himmlischer Rang allerdings sorgt für Spannungen in seinem irdischen Körper.«
Ich fuhr von dem Pinsel zurück, dessen weißes Ende so spitz zwischen uns hing wie ihre letzte Bemerkung.
»Inwiefern?«, fragte ich schließlich, da meine Neugier stärker war als mein Unbehagen.
»So heilig zu sein, dass man nicht berührt werden darf. Dadurch entsteht Verlangen und zugleich Zwang.« Der weiche Pinsel folgte der Form meines Mundes. »Und dieser Konflikt spiegelt sich in seinem Geist wider.« Sie unterbrach ihre Tätigkeit und sah mich höflich an. »Aber vielleicht seid Ihr anderer Meinung, Mylady?«
Einen quälenden Moment lang spürte ich wieder Kygos Rechte um mein Handgelenk und sah die markante Linie seines Kiefers, als er – den Kopf im Nacken – um Beherrschung rang. Ich atmete tief ein und erwiderte Mondorchidees wachsamen Blick. »Ihr kennt ihn also gut.«
Sie zuckte nur knapp die Achseln und ihr Pinsel fuhr wieder durch die Schminke. »Gut genug, um zu wissen, dass er Euch mit diesem Ring mehr gegeben hat als bloß den Schutz eines Gottes.«
Ich öffnete die Hand wieder und wir betrachteten den breiten Reif. Ich wusste, dass er mehr bedeutete – das hatten mir die Berührung seiner Hand und das sanfte Drängen in seiner Stimme bewiesen –, doch ich wollte trotzdem wissen, was er mir, ihrer Meinung nach, mit dem Ring gegeben hatte.
Ich brauchte sie gar nicht zu fragen, denn Mondorchidee hatte große Erfahrung darin, das Begehren eines anderen zu erkennen. Sie legte den Pinsel weg und ihre dunklen Augen wirkten plötzlich viel älter als die makellose Schönheit ihres Gesichts.
»Er hat Euch sein Blut gegeben und den Moment, in dem er vom Jungen zum Mann wurde«,
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