EONA - Das letzte Drachenauge
zurück, »damit Glückspäonie ihren angemessenen Platz einnehmen kann.«
Schwarzzähnchen warf Vida einen finsteren Blick zu, doch sie trat zur Seite. »Dicker Hintern?«, murmelte sie, als wir an ihr vorbeigingen. »Das musst du gerade sagen.«
Vida brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. Ich rang mir ein heiteres Lächeln ab, während die anderen Frauen uns Platz machten und Vida mit ihrer stummen Kampfeslust das vereinzelte unzufriedene Gemurmel verebben ließ. Wir stellten uns ganz vorn in die Reihe und traten auf die niedrige hölzerne Aussichtsplattform. Die Gittertür ging auf und ein dicker Diener sah uns an und verbeugte sich dann vor unserem Begleiter.
»Sie sind spät dran«, sagte er und wies mit dem Kopf nach drinnen, von wo männliches Gelächter drang. »Die sind schon betrunken wie die Molche.«
Die Frauen tuschelten untereinander und die Anspannung stieg.
»Dann lasst sie ein«, sagte unser Begleiter.
Mit einem abschließenden Naserümpfen verbeugte sich der Diener und führte uns in einen eleganten Vorraum, wo edle Strohmatten unsere Schritte dämpften. Ich erkannte den Grundriss wieder: So hatte es auch in der Päonienwohnung ausgesehen mit einem offiziellen Empfangsbereich nach vorn und Privaträumen nach hinten. Dem Murmeln und den unvermittelten Lachsalven nach zu schließen, hielten die Männer sich offenkundig im Empfangsraum auf.
Der Diener klopfte an die Tür und die Unterhaltung verstummte. Mein Mund wurde trocken und war wie ausgedörrt. Neben mir stand Vida und presste die Hände auf die Brust.
»He«, flüsterte ich. Sie sah mich an und meine Panik spiegelte sich in ihren Augen.
»Tretet ein«, rief eine Männerstimme.
Der beleibte Diener schob die Tür auf und verbeugte sich tief.
Mir rauschte das Blut in den Ohren. Vor mir rekelten sich Männer im dunkelblauen Waffenrock der Kavallerie an einem niedrigen Tisch, dessen polierte Platte mit langhalsigen Karaffen und Tabletts voller Speisen bedeckt war. Mein Blick huschte über die Gesichter; ein paar taxierten uns, ein paar grinsten anzüglich. Und einer blickte erstaunt – sicher Großlord Haio. Der Geruch nach gebratenem Fleisch und nach Männerschweiß war durchdringend.
Ich zwang mich zu einem Lächeln und führte die Frauen, mich die ganze Zeit verbeugend, in das Zimmer. Ich wagte nicht, zu den im Kreis versammelten Männern aufzusehen; sie würden meine Angst bemerken wie ein schwarzes Mal in meinem Gesicht. Ich kniete nieder, legte die Laute vor mich hin und beugte den Kopf bis zum Boden und die anderen Frauen taten es mir nach. Die Strohmatte stank nach verschüttetem Reiswein, und Übelkeit stieg mir in die Kehle. Ich biss die Zähne zusammmen und kämpfte darum, Haltung zu bewahren. Päonien machen keine nervösen Körperbewegungen und übergeben sich erst recht nicht auf die Füße ihrer Freier.
»Erhebe dich.«
Ich setzte mich auf und sah Großlord Haio in das finstere Gesicht. Seine Züge erinnerten an seine beiden älteren Halbbrüder – seine Stirn war genauso wie die des alten Kaisers, und seine Augen blickten so kalt wie die von Sethon, nur dass sie enger zusammenstanden. Haios Mund jedoch war unverwechselbar: klein und böse und nun geschürzt vor Gereiztheit.
»Wer bist du?«, wollte er wissen.
Einen Moment lang überlegte ich fieberhaft: Wie heiße ich? Wie heiße ich? Dann erinnerte ich mich daran, wie Vida Schwarzzähnchen angefahren hatte.
»Ich bin Glückspäonie«, sagte ich so erleichtert, dass mein Lächeln nicht geheuchelt war, und verbeugte mich erneut.
»Ich habe keine Päonie bestellt«, erwiderte er. »Ist das etwa ein Trick, um ein Geschäft zu machen?«
Den Göttern sei Dank: Momo hatte recht gehabt! Er war wirklich ein Geizkragen. »Anscheinend handelt es sich hier um ein Missverständnis, Mylord.« Ich wies auf Vida, die neben mir kniete. »Meine Hausschwester und ich, wir sind als Geschenk für Euren Bruder gedacht, für Seine Königliche Majestät, den Kaiser. Ein Zeichen der Ergebenheit seitens der Häuser der Blütenwelt.«
Ich spürte, wie durch die Frauen hinter mir ein Unbehagen ging, das etwas leicht Bedrohliches hatte.
Haio knurrte. »Ein Geschenk, sagst du?«
»Warum haben wir nicht an so ein Geschenk gedacht?«, fragte ein rotgesichtiger Weintrinker und stieß mit seinem Nachbarn an. »Gegen die Gunst Seiner Majestät wäre nichts einzuwenden, General. Schließlich bekommen wir, was Personal und Ausrüstung angeht, immer nur den Bodensatz.«
Haio sah seine
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