EONA - Das letzte Drachenauge
Offiziere an. »Da habt Ihr recht.« Er fuhr sich mit seinem dicken Finger unter der Nase entlang und betrachtete mich. »Wir könnten dieses Geschenk doch selbst zu meinem Bruder bringen«, sagte er langsam. »Er braucht nicht zu wissen, dass es von der Blütenwelt kommt.«
Ich erstarrte und hörte, wie Vida vernehmlich einatmete, während die Männer am Tisch laut lachten.
Ich rang die Hände. »Mylord –«
Haio zeigte auf mich. »Und du sagst kein Wort darüber, wer dich geschickt hat, oder ich knöpf dich mir vor und zerschneide dir das hübsche Gesicht so, dass du zu nichts mehr zu gebrauchen bist. Verstanden?«
Ich zog den Kopf ein.
»Wir könnten die Färberdistel behalten«, schlug der Rotgesichtige vor und musterte Vida. »Geben wir Seiner Majestät doch nur die Päonie.«
»Sie behalten?«, überlegte Haio.
»Mylord«, begann ich und bemühte mich, ruhig zu klingen, »meine Hausschwester ist eine Favoritin Seiner Majestät. Es wäre wohl kaum im Sinne Eurer Lordschaft, Euren verehrten Bruder unwissentlich zu verärgern.«
Haio rieb sich das Kinn. »Eine Favoritin.« Er nahm einen Weinkelch und stürzte den Inhalt in sich hinein. »Hier gibt es genug Fleisch für alle.« Er sah die Männer ringsum finster an. »Es gibt keinen Grund, gierig zu sein.« Dann hievte er sich auf die Beine, schwankte etwas und wies auf Rotgesicht und drei weitere Untergebene. »Bringen wir meinem Bruder ein verspätetes Neujahrsgeschenk.« Er winkte Vida und mich heran, warf den Männern, die noch am Tisch knieten, einen zornigen Blick zu und drohte ihnen mit erhobenem Zeigefinger: »Fangt ja nicht ohne uns an, ihr Hunde!«
Ich warf Vida einen raschen Blick zu. Was sollten wir tun? Sie zuckte fast unmerklich die Schultern. Wir konnten nichts tun. Noch nicht. Ich verbeugte mich wieder tief, wich zurück und griff nach der Laute. Damit würde ich immerhin einen Schlag austeilen können – falls ich Gelegenheit dazu bekäme. Doch danach sah es nicht aus, denn wir waren von fünf erfahrenen Soldaten umgeben, nicht nur von ein, zwei Dienern. Ich blinzelte gegen eine plötzliche Panik an und zwang mich, aufzustehen. Das Wichtigste zuerst: Hinaus aus dieser Wohnung.
Dicht gefolgt von Vida, ging ich um die knienden Frauen herum und sah Schwarzzähnchen kurz in die großen Augen. In ihrem Blick stand große Angst – Angst um uns.
Haio stieß die bespannte Holzgittertür auf und taumelte in den Vorraum. Zwei Männer folgten Vida und ihre bedrohlich aufragenden Gestalten trieben uns an, rascher zu gehen. Ich sah mich um. Sie waren nicht betrunken – dazu war ihr Blick zu scharf –, und sie hatten einen Dolch am Gürtel stecken. Auch Rotgesicht vor uns trug einen an der Hüfte. Er musste zur Uniform gehören. Ich atmete durch, um ruhiger zu werden, folgte Haio mit gespannter Aufmerksamkeit durch die Vordertür nach draußen und hoffte, dort Yuso zu sehen und ihm ein Zeichen geben zu können, was geschehen war.
Ich musste nicht lange suchen. Er kauerte am Ende der hölzernen Plattform und war mit Ryko, dem Mann von den Trang Dein und zwei Bediensteten aus der Küche am Würfeln. Als Haio dem Rotgesicht einen anzüglichen Witz zurief, schnellte Yusos Kopf hoch, und seine Hand verharrte mitten im Wurf. Ich sah, wie seine Lippen schmal wurden, als er begriff, in was für einer Lage wir waren, und war mächtig dankbar für seine rasche Auffassungsgabe. Er beendete seinen Wurf, setzte sich auf und beobachtete uns mit einem grimmigen Lächeln. Auch Ryko neben ihm sah scheinbar unbesorgt auf, hatte die Hände aber halb zu Fäusten geballt auf den Schenkeln liegen. Dela war nirgendwo zu sehen.
Ich drehte meine Laute zu ihnen hin und legte vier Finger flach auf die Saiten: Bewaffnet . Dann schloss ich die Hand um den Hals des Instruments: Sethon . Würde Yuso oder Ryko es sehen und verstehen? Wir waren bereits an ihnen vorbei und ich wagte nicht, zurückzuschauen. Ich wagte nicht einmal, Vida anzusehen.
Die Nachtluft schien Haio wieder einen klaren Kopf beschert zu haben. Seine Schritte wurden größer, während er uns zur Kleinen Festhalle zurückführte, und weiße Lampions, die zwischen den Gebäuden hingen, beleuchteten unseren Weg. An den Türen und an den Ecken postierte Soldaten salutierten und ihre Gegenwart schürte meine Angst. Ich wagte einen Seitenblick auf Vida, die den Kopf demütig gebeugt hielt, doch ihre Augen registrierten die Positionen, die Möglichkeiten.
Es gab keine.
Von links tauchten die Umrisse zweier
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