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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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Ziel, einen etwas entfernt stehenden Baumstumpf. Ich reckte mich um sie herum und warf einen weiteren Stein, der das Holz mit einem befriedigenden Klacken traf.
    Mein Zufluchtsort war nicht gerade bequem oder besonders hübsch – der kleine Hügel aus Steinen und Schutt inmitten des üppigen Graslands erinnerte an eine verschorfte Wunde und bot keinerlei Schutz vor der gleißenden Sonne –, doch er hatte immerhin den Vorteil, der am weitesten von Kygo entfernte Fleck unseres Lagers zu sein.
    Dela staubte einen halb in der Erde begrabenen Stein ab und legte das Brot darauf. »Meister Tozay soll Eure Mutter gefunden haben«, sagte sie.
    Ich stöhnte und warf einen kleineren Kiesel. Er prallte von dem Baumstumpf ab. Das wäre eine Zehn gewesen, wenn ich die Punktezahl aufgeschrieben hätte.
    »Eure Mutter wiederzusehen, ist doch gut, oder?«, traute sie sich schließlich zu fragen.
    Ich stöhnte erneut. Falls ich etwas sagte, würde sie das als Aufforderung nehmen, zu bleiben und zu plaudern. Aber ich hatte genug vom Reden. Und vom Denken. Und erst recht vom Fühlen.
    »Ihr scheint wieder eine Meinungsverschiedenheit mit Seiner Majestät gehabt zu haben«, sagte sie vorsichtig.
    Ich nahm den größten Stein, den ich erreichen konnte, und schleuderte ihn mit einer harten Bewegung aus dem Handgelenk gegen den Baumstumpf. Er schlug ein großes Stück Holz heraus, das in hohem Bogen durch die Luft flog. Das mussten mindestens zwanzig Punkte gewesen sein.
    »Ging es um Lord Ido?« Sie beugte sich erneut zaghaft vor. Ihre Brauen waren sorgenvoll zusammengezogen.
    »Nein.«
    »Worum dann? Ihr könnt doch nicht einfach hier in der prallen Sonne sitzen und Steine werfen. Die Männer, die das Lager bewachen, werden allmählich nervös. Und Ihr ruiniert Euren Teint.«
    Ich betastete den glatten Stein in meiner Hand. »Was habt Ihr beim Lesen entdeckt?«
    Sie sah auf das rote Buch, dessen Perlen um ihr Handgelenk geschlungen waren. »Woher wisst Ihr, dass ich auf etwas gestoßen bin?«
    Ich zielte erneut. Der Stein traf voll und sprang in die Büsche. Wenn ich hier um Münzen spielen würde – wie früher mit den anderen Bewerbern um die Ausbildung zum Drachenauge –, würde ich ein Vermögen verdienen.
    »Ich habe herausgefunden, wer der zweite Mann in dem Dreieck mit Kinra und Kaiser Dao war«, sagte sie leise.
    Ich drehte ein paar mögliche Steine um und entschied mich für einen Feuerstein mit gemeinen Kanten.
    »Es war Lord Somo«, sagte sie.
    »Ich habe noch nie von ihm gehört.«
    »Er war das Rattendrachenauge.«
    Ich hielt mitten im Ausholen inne. »Kinra war mit dem Rattendrachenauge im Bunde?« Ich sah über die Lichtung zu Ido und die Ironie daran ließ mich scharf auflachen.
    »Was glaubt Ihr, was das bedeutet?«, fragte Dela.
    »Nichts«, erwiderte ich nüchtern. »Das Buch erzählt Geschichtliches und ist keine Prophezeiung.« Ich warf den Feuerstein und verfehlte den Baumstumpf um ein großes Stück.
    »Aber es enthält doch die Weissagung«, erwiderte sie. Ich zuckte die Achseln, nicht gewillt, diesen Punkt einzuräumen. »Ist das also bloß Zufall?«
    »Ja«, sagte ich fest.
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Dela mit dem gleichen Nachdruck. »Schaut mich an, Eona.«
    Endlich blickte ich ihr in die tief in den Höhlen liegenden, sorgenvollen Augen. »Also gut. Was glaubt Ihr , was es bedeutet?«
    »Ich weiß es nicht. Aber Lord Ido ist hier und Seine Majestät auch. Und Ihr steht zwischen ihnen. Ein Rattendrachenauge, ein Kaiser und ein Spiegeldrachenauge.«
    »Ich stehe nicht zwischen ihnen. Lord Ido ist hier, um mich zu unterweisen. Und Kygo ist hier, um mich auszunutzen«, setzte ich bitter hinzu.
    »Euch auszunutzen?«
    Ich verfluchte mein Mundwerk und die Tränen, die mir in die Augen getreten waren. »Das ist unwichtig.«
    »Was ist passiert?«
    »Nichts.« Ich brauchte dringend ein neues Gesprächsthema. »Habt Ihr schon mit Ryko gesprochen? Jetzt, wo Ihr wisst, dass ihm an Euch genauso viel liegt wie Euch an ihm?«
    Sie blinzelte mich an und ging schließlich auf das unbeholfene Ablenkungsmanöver ein. »Ja, ich habe mit ihm gesprochen.«
    »Und?«
    »Er sagte, er habe mir nichts zu bieten. Weder Rang noch Land. Nicht einmal einen freien Willen.« Sie seufzte.
    Ich beugte mich vor. »Aber das macht doch nichts, oder? Ihr würdet ihn auch ohne alles nehmen, weil Ihr ihn liebt.«
    »Ja natürlich.«
    Ich hob noch einen Stein auf, nahm den Baumstumpf ins Visier und sagte: »Ryko hat’s gut«,

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